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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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wür­de es nach der Aus­lö­schung die­ses Kör­pers kein über­le­ben­des Be­wußt­sein ge­ben. Kein La­chen nach dem To­de – we­der für Je­sus noch für ir­gend je­mand an­de­ren. Je­su Auf­er­ste­hung wür­de als Mum­men­schanz er­schei­nen und be­deu­tungs­los blei­ben, wenn sein Tod nicht dra­ma­tisch wä­re, aber oh­ne die Auf­er­ste­hung wür­de der Tod auch nutz­los sein. Das war al­so nicht das En­de der Ge­schich­te – es war die Zen­tral­stel­le, der be­deut­sa­me Wen­de­punkt, die Schlüs­sel­si­tua­ti­on bei der Be­grün­dung ei­ner Re­li­gi­on.
    Und wenn sich die Au­ra bei Je­su Tod auf­lös­te? Wenn es kei­ne Auf­er­ste­hung und kei­nen Hei­li­gen Geist ge­ben wür­de? Wo blieb dann sein Glau­be?
    Zit­ternd kam Bru­der Paul auf die Bei­ne und ging auf das Kreuz zu. Nie­mand hin­der­te ihn: Dun­kel­heit und Sturm hat­ten die Men­ge zer­streut. Has­tig ent­fern­te sich auch der Statt­hal­ter Pi­la­tus und ließ nur we­ni­ge Be­wa­cher auf der Kreu­zi­gungs­stät­te zu­rück. Sie hat­ten sich von der ur­sprüng­li­chen Über­ra­schung so weit er­holt, daß sie zu ih­rer vo­ri­gen Be­schäf­ti­gung zu­rück­kehr­ten: dem Wür­fel­spiel. Es ging um Je­su Klei­der, ins­be­son­de­re die naht­lo­se Ro­be: Wer wür­de sie ge­win­nen?
    Als Paul sich nä­her­te, ma­ni­fes­tier­te sich die Au­ra. Er konn­te sie nun schon aus ei­ni­ger Ent­fer­nung spü­ren. Je dich­ter er her­an­kam, de­sto in­ten­si­ver wur­de sie, bis er un­mit­tel­bar vor dem Ge­kreu­zig­ten stand.
    Der Ge­henk­te: die Kar­te des Ta­rot­spiels, ei­ner der Grö­ße­ren Ar­ka­nen. Nun kann­te er den ur­sprüng­li­chen Be­zug für die­se Kar­te: Je­sus, der Ge­kreu­zig­te. Um­ge­kehrt auf der Kar­te, denn al­les war hier um­ge­dreht: Der Un­schul­di­ge litt für den Schul­di­gen – aus frei­em Wil­len. Op­fer.
    Je­sus öff­ne­te die Au­gen, weil er Bru­der Paul spür­te. „Wo bist du ge­we­sen, nicht jü­di­scher Freund?“ frag­te er. „Vier Jah­re lang ha­be ich dich ge­sucht, nach­dem du mir beim Teich das Le­ben ge­ret­tet hat­test und ver­schwun­den warst, und ich ha­be ver­sucht, dei­ne Vor­schlä­ge in die Tat um­zu­set­zen …“
    „Nein!“ wehr­te sich Bru­der Paul. „Ich tra­ge da­für kei­ne Ver­ant­wor­tung.“
    „Durch dich ha­be ich ge­lernt, die Macht der Pa­ra­bel zu be­nut­zen. Es ist ein höchst wirk­sa­mes Lehr­mit­tel. Um dei­net­wil­len ha­be ich mich an Nicht­ju­den eben­so ge­wandt wie an Ju­den. Ich ha­be im­mer nach dei­ner Au­ra ge­sucht …“
    „Nein, nein“, pro­tes­tier­te Bru­der Paul schwach. „Du hast das al­les al­lein ge­tan! Ich kam nur zu­fäl­lig vor­bei …“
    „Au­ßer zu­wei­len, wenn das Tem­pe­ra­ment mit mir durch­ging. Ein­mal ha­be ich einen Fei­gen­baum ver­flucht, weil er kei­ne Früch­te trug, und der Baum welk­te und starb ab. Das war falsch.“
    „Sid­dhat­t­ha hät­te kei­nen Fei­gen­baum ver­flucht“, stimm­te Bru­der Paul zu. „Ein sol­cher Baum bil­de­te den Hin­ter­grund bei sei­ner Er­leuch­tung.“
    „Wer..?“
    „Ein an­de­rer großer Leh­rer, den man Bud­dha nann­te. Aber je­der Mensch muß nach sei­ner ei­ge­nen Er­leuch­tung su­chen. Du hast ge­tan, was das Schick­sal dir be­stimmt hat­te. Ich hat­te dar­an kei­nen An­teil …“
    Die Au­gen fla­cker­ten ihn an. „Leug­nest du nun, wo das En­de kommt, auch un­se­re Freund­schaft, Paul?“
    Bru­der Paul war be­trof­fen und reck­te sich, um Je­su Knie zu be­rüh­ren. „Nein, nie­mals! Ich ha­be nur ge­meint, es kommt mir kein Ver­dienst für dei­ne Leis­tun­gen zu. Du bist der Sohn Got­tes, der Er­lö­ser. Ich bin nur …“
    „Ein Freund“, be­en­de­te Je­sus für ihn den Satz. „Und was für ein grö­ße­res Ver­dienst könn­te es ge­ben?“
    Ein Sol­dat blick­te auf. „Geh da vom Kreuz weg … er ist noch nicht tot“, schnapp­te er. Aber Lon­gi­nus, der sich auf sei­nen Speer lehn­te, mur­mel­te et­was, und der Mann wand­te sich ab.
    „Le­be wohl“, sag­te Bru­der Paul. Sei­ne Au­gen brann­ten. Er brach den Kon­takt ab und trat zu­rück – und ir­gend et­was fiel auf sei­nen Handrücken. Es war ein Bluts­trop­fen Je­su aus der

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