Die Visionen von Tarot
damit fest.
Aber es stellte sich heraus, daß viele von ihnen nicht gut arbeiten konnten. Bruder Paul mußte alles nachsehen und verbessern, ehe die Arbeit vollendet war.
Er dachte daran, daß dieses Epos sich streckenweise in symbolischen Dialogen hinzog, während die Menschen Bewußtsein, Verstand, Weisheit und die Heilige Kirche darstellten und mit anderen Personen die Lüge, Falschheit, Eitelkeit und Maid Mede hießen, Themen der Moral disputierten. Es war vielleicht ein großartiges Werk mittelalterlicher Literatur, aber es brachte ihn nicht weiter an sein Ziel. Er mußte aus dieser Geschichte ausbrechen und eine andere suchen, die seinem Ziel besser entsprach.
Wahrscheinlich würde eine gezielte Anstrengung nichts nützen. Animationen neigten zur Präzession, wenn man gegen sie arbeitete; das wußte er zu seinem Kummer. Aber vielleicht würde ihn ein heimlicher Schubs, ein Weiterrücken zu Ähnlichem in eine passendere Rolle werfen …
Was hatte er hier vor sich? Piers Plowman hatte versucht, die Menschen zur Erlösung zu bringen, indem sie sich selber reformierten. Gab es ein anderes Epos mit ähnlicher Botschaft und ähnlichem Symbolismus?
Plötzlich fiel es ihm ein: „Pilgrim’s Progress!“ rief er. Bunyans Allegorie hatte sogar das alliterative ‚P’ mit dem vorigen gemein. Dort suchte der Mensch Christian die himmlische Stadt, unterstützt von kleineren Rollen wie Helfer, Weltlicher Weiser, Legalität und Evangelist. Würde es jemand merken, wenn er in diese Rolle glitt? Der richtige Piers Plowman der Fiktion könnte hier einsetzen. Warum es nicht einfach heimlich versuchen? Nicht heftig, nur ein bißchen stupsen …
Es klappte! Bruder Paul fand sich im Tal der Demütigung aus Pilgrim’s Progress wieder. Er war allein, trug aber ein gutes Schwert. Es sollte ihm schon gelingen, sich den Weg in …
Seine Gedanken wurden durch das Auftauchen eines Ungeheuers abgelenkt. Oh nein! Nun mußte er mit den Gefahren dieser Vision fertig werden, und sie waren kaum angenehmer als die der anderen. Dies war das Wesen namens Apollyon, und er wußte, er würde ihm nicht entrinnen. Er müßte kämpfen, wenn er es nicht durch einen Trick vertreiben konnte. Er trat ihm also entgegen.
Das Ungeheuer war gräßlich. Es hatte Schuppen wie ein Fisch, Flügel wie ein Drache, Bärenfüße, ein Löwenmaul und den Bauch voller Feuer. Das Gesicht hingegen schien vertraut: War das wieder Therion?
Apollyon starrte ihn verärgert an und schnaubte übelriechenden Rauch aus. „Wo kommst du her? Und wo willst du hin?“
„Ich komme aus der Stadt der Zerstörung“, antwortete Bruder Paul. „Der Stätte allen Übels, und ich gehe in die Stadt Zion.“ Er war in Dialog und Handlung an den Klassiker eingebunden, nur seine Gedanken blieben frei. Welch einem verschlungenen Pfad folgte er hier, um Lees Hölle zu finden!
Apollyon spreizte die Beine – um die volle Breite des Weges zu versperren. „Bereite dich auf deinen Tod vor, denn ich schwöre bei meinem infernalischen Atem, daß du nicht weiter gehen sollst – hier werde ich deine Seele vernichten!“
Mit diesen Worten schleuderte das Ungeheuer einen flammenden Pfeil auf Bruder Pauls Brust zu. Doch Bruder Paul hatte ein Schild, rund und kupferfarben wie eine große Münze (war es vor einem Augenblick auch schon dagewesen?), und fing das Geschoß auf.
Er zog sein Schwert – aber Apollyon schleuderte bereits weitere Pfeile in seine Richtung. Bruder Paul versuchte, sie abzuwehren, doch sie schlugen auf ihn ein wie Hagelschlag, auf zauberhafte Weise vervielfacht. Einer flog ihm direkt ins Gesicht. Er riß das Schwert hoch, um ihn abzufangen, aus Angst den Schild zu heben und Beine und Körper
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