Die Visionen von Tarot
ordnete sich dem Urteil Buddhas unter. Mara, der Böse … der buddhistische Teufel. Das hier war keine gewöhnliche Begegnung!
Wie vorhergesagt, blieb die Gruppe am Rand des Baumschattens stehen. Doch nun kam ein Elefant von überwältigender Größe hinzu, und sein machtvoller Schritt ließ die Erde erzittern. Darauf saß ein großer, etwas dicklicher Mann, der in reiner Bösartigkeit grinste. Das war sicherlich Mara.
„Kommt heraus, ihr Feiglinge!“ bellte Mara.
Siddhattha blieb still. „Der Böse hat acht Armeen“, erklärte er Bruder Paul. „Man nennt sie Unzufriedenheit, Hunger, Begierde, Schlampigkeit, Feigheit, Zweifel und Heuchelei. Nur wenige können solche Bundesgenossen überwinden, aber dem Siegreichen winkt die Freude.“
Bruder Paul runzelte die Stirn. „Ich glaube, das waren nur sieben. Nicht aber, daß diese nicht schon ausreichten.“
Auch Siddhatthas Stirn furchte sich. „Ich vergesse immer die eine oder andere. Die bösen Dinge sind nicht meine Spezialität.“ Sicher die Untertreibung des Jahrhunderts.
Nun traten die drei Frauen nach vorn. Sie waren verführerisch gekleidet und bewegten sich mit der Berechnung ihrer körperlichen Anziehungskraft. „Kommt, seht euch meine Töchter an“, rief Mara. „Sie sind Experten darin, den Männern zu gefallen.“ Und wie eine einzige Person winkten die drei Frauen ihnen einladend zu.
Bruder Paul spürte die Versuchung. Irgendwie hatte die Animation ein dreifaches Bild von Amaranth geschaffen, und in dieser Art Rolle war sie sehr gut.
„Nun fällt mir Maras weitere Armee wieder ein!“ rief Siddhattha glücklich. „Lust!“ Aber er schien sich nur über den intellektuellen Aspekt zu freuen; diese verführerischen Körper lockten ihn nicht.
Die Frauen drehten sich um und gingen mit einem letzten dreifachen Hüftschwung von dannen. Ihr Scheitern war offensichtlich. Siddhattha konnte nicht durch Sex korrumpiert werden. Und warum auch? Er hatte Frau und Kind zu Hause, zusammen mit einer Krone und wahrscheinlich einem vollen Harem, wenn er derartige Bedürfnisse spüren sollte.
Nun traten bewaffnete Männer nach vorn, die in Tierhäute gekleidet waren. Sie gestikulierten wild und schrien. Sie ähnelten Dämonen. Die Sonne war nun untergegangen, doch der Mond beschien sie mit übernatürlicher Deutlichkeit. Siddhattha war nicht beunruhigt. „Mara personifiziert den dreifachen Durst nach Existenz, Vergnügen und Macht. Die Befriedigung der Selbstsüchtigkeit ist die Hölle, und jene, die nach Selbstsüchtigkeit trachten, sind Dämonen.“ Und die Dämonen-Männer konnten ihm nichts anhaben.
„Eine höchst kluge Zusammenfassung“, stimmte Bruder Paul ihm zu. Er mochte diesen Mann und fand an seiner Philosophie nichts auszusetzen. Aber wie konnte er sichergehen, ob der buddhistische Gott nun der Gott von Tarot war oder nicht?
„Du und ich, wir können nun hier sitzen bleiben und über die zehn Vollendetheiten nachdenken“, sagte Siddhattha.
Die Dämonensoldaten zogen sich zurück. Mara wurde wütend. „Ich habe es auf sanfte Art versucht“, rief er, „aber du hast es nicht gewollt. Nun bekommst du einen Geschmack meiner Zauberei zu spüren.“
Jetzt ist er nicht mehr der nette Bursche, dachte Bruder Paul fast lächelnd.
Mara erhob eine Hand. Sogleich erhob sich ein Wirbelsturm und bildete einen schwarzen Trichter, der den gesamten Baum zu umschlingen drohte. Aber im Mittelpunkt war es ruhig, und kein Blatt regte sich. Bruder Paul betrachtete erstaunt die wirbelnde Staubwand, doch Siddhattha ignorierte sie vollständig. „Ist ja nur Luft“, murmelte er Bruder Paul zu.
Der Wirbelwind verschwand. „Dann versuch’ ich es eben mit
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