Die Visionen von Tarot
wurde stärker. Was immer in Siddhattha geruht hatte, erwachte nun zum Leben. Er wurde sich seiner Aura bewußt – und es war eine ungewöhnlich starke. „Der Geist Gottes … ist in mir“, sagte er und strahlte Sicherheit aus. „Und nun … . habe ich den Schlüssel zur Weisheit gefunden, das Oberste Gesetz des Lebens! Es war die ganze Zeit über in mir und hat auf diesen Augenblick gewartet.“
Siddhattha stand auf. Er war nicht groß, aber diese neue Erleuchtung verlieh ihm eine eindrucksvolle Statur. „Hör zu, Mara, und sei verdammt, DEM GUTEN KANN NUR GUTES ENTSTAMMEN , DEM BÖSEN NUR BÖSES .“
Bruder Paul war über diesen Satz besorgt. Aus dem wenigen, was er noch von symbolischer Logik wußte, erinnerte er sich, daß eine falsche Hypothese, die zu einem wahren Schluß führt, als wahr angesehen wird. Das legte die Möglichkeit nahe, daß Gutes aus Bösem resultierte. Offensichtlich hatte sich dieser Mann diesem Gedanken aber nicht verschrieben.
Mara stieß einen Wutschrei aus. Er stolperte zurück und suchte seinen Elefanten – aber als er ihn berührte, brach das Tier zusammen. All seine Bundesgenossen krochen zusammen vom Baum der Weisheit fort.
Bruder Paul sah erstaunt zu. Und merkte, daß Siddhattha zum Buddha geworden war, dem Erwachten. Und daß, symbolische Logik hin oder her, der Gott dieses Menschen in der Tat der Gott von Tarot sein konnte.
Aber um sicherzugehen, müßte er auch die anderen großen Religionen untersuchen und sie aus der Betrachtung ausschließen. Vielleicht war der achtfache Weg der richtige, aber dessen konnte er sich noch nicht sicher sein.
„Meine Aufgabe ist hier beendet“, sagte er zu Buddha. „Ich hoffe, wir treffen uns wieder.“ Der Baum verschwand.
Bruder Paul stand in einer Gegend, wo der Himmel drei Sonnen zeigte – eine normal große und zwei kleine. Die Vegetation hingegen war wie auf der Erde, bis auf einen Unterschied: Was wie eine arktische Fichte aussah, stand direkt neben einer tropischen Palme. Die Luft konnte man atmen, wenn sie auch leicht giftig roch. Die Schwerkraft war geringer, als er es gewohnt war, aber der Boden so uneben, daß er sicher sein konnte, die Anstrengungen, sich hier irgendwie fortzubewegen, würde dies ausgleichen.
Er stand oberhalb eines brodelnden Lavaflusses auf einem schmalen Vorsprung. Eine Welle von Dämpfen strömte heraus, und er trat rasch einen Schritt zurück. Sein Fuß glitt auf Schnee aus, und er fiel fast in das Eis einer hier angelandeten Lawine. Einen Meter entfernt von den kochenden Felsen drang tiefer Eiswinter näher. Kein Wunder, daß die Pflanzen nur begrenzt gediehen.
Die Entfernung zwischen strengem Frost zu ständiger Wärme betrug nur zwei Meter.
Aber was hatte dies mit Religion zu tun? Er hatte vorgehabt, eine der jüngsten und lebendigsten der großen Glaubensrichtungen der Menschen zu untersuchen: Voodoo. Es stammte aus Schwarzafrika und hatte sich mit dem Sklaventum nach Amerika ausgebreitet. Man hatte der nichtweißen Bevölkerung das Christentum aufgepfropft, und sie war den Kompromiß eingegangen, die einheimischen Gottheiten mit den katholischen Heiligen zu vermengen und so ein Phanteon mit zwei Zwecken zu errichten, das ihnen erlaubte, die Missionare zu befriedigen, während sie den eigenen Glaubensrichtungen treu blieben. Die Wahrheit, wenn sie überhaupt je bekannt wurde, war, daß es im zwanzigsten Jahrhundert in Lateinamerika mehr Voodoo-Anhänger als Christen gab, und die Glaubensstärke und Überzeugung war bei ihnen stärker ausgeprägt. Bruder Paul hatte auf der Suche nach seinen schwarzen Ahnen und den regionalen Voodoo-Kulturen mit dem karibischen Santeria geflirtet und hatte es zugleich
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