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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Mitt­drei­ßi­gern war. Das Al­ter war schwer zu be­stim­men, weil er früh­zei­tig ge­al­tert und klei­ner ge­wor­den zu sein schi­en. Er wirk­te aus­ge­mer­gelt. Haa­re und Bart wa­ren ra­siert, und er trug Lum­pen. Er wand­te die Au­gen nicht ab, als Bru­der Paul nä­her kam.
    „Darf ich nä­her­tre­ten?“ frag­te Bru­der Paul.
    Der klei­ne Mann mach­te ei­ne ein­la­den­de Ges­te. „Will­kom­men, Rei­sen­der. Es gibt hier Fei­gen ge­nug, um ei­ne große Men­schen­men­ge zu spei­sen, und im Fluß gibt es Was­ser.“
    Bru­der Paul setz­te sich ne­ben ihn und kreuz­te die Bei­ne. Er hob ei­ne Fei­ge auf, wenn der Mann dies tat, und kau­te lang­sam das et­was zä­he Frucht­fleisch. „Du bist ein As­ket? Ich will mich nicht auf­drän­gen, wenn du lie­ber al­lein sein willst.“
    „Ich ha­be mich mit As­ke­ti­zis­mus ver­sucht, bis ich fast auf­ge­zehrt war“, sag­te der Mann. „Ich ha­be aber kei­ne be­son­de­ren Er­kennt­nis­se ge­won­nen. Ich be­schloß, daß es nutz­los war, wei­ter­hin zu hun­gern und mich zu quä­len. Dann merk­te ich, wenn ich aß und trank und stär­ker wur­de, daß mei­ne Ge­dan­ken kla­rer wur­den. Ich merk­te, daß die Leh­re, die da sagt, daß ein Mensch sich fast zu To­de hun­gern muß, um in Be­sitz der Weis­heit zu ge­lan­gen, falsch ist. Es ist der ge­sun­de Mensch, der am bes­ten in der La­ge ist, die Welt wahr­zu­neh­men und über die re­li­gi­öse Wahr­heit nach­zu­den­ken.“ Er blick­te Bru­der Paul an. „Dem­nach mußt du ein sehr auf­merk­sa­mer Mensch sein, denn du bist der ge­sün­des­te Mensch, den ich je­mals ge­se­hen ha­be. Darf ich dich nach dei­nem Na­men fra­gen?“
    „Ich bin Bru­der Paul von … ei­ner ent­fern­ten Kul­tur. Und du?“
    „Ich bin Sid­dhat­t­ha Gautama, einst ein Prinz, nun ein Bet­tel­mönch.“
    Sid­dhat­t­ha Gautama – der Mann, der der Ge­schich­te als Bud­dha be­kannt war, der Er­wach­te, der Er­leuch­te­te. Der Be­grün­der ei­ner der größ­ten Re­li­gio­nen al­ler Zei­ten, des Bud­dhis­mus. Er war wirk­lich ein Prinz ge­we­sen und hat­te sei­ner Kro­ne frei­wil­lig ent­sagt, um die Of­fen­ba­rung zu su­chen.
    „Ich füh­le mich … ge­ehrt, Euch zu tref­fen“, sag­te Bru­der Paul de­mü­tig. Wenn er sich selbst auch als Chris­ten emp­fand, so heg­te er doch tie­fen Re­spekt vor dem Bud­dhis­mus. „Auch ich bin auf der Su­che nach der Wahr­heit. Ich ha­be sie noch nicht ge­fun­den.“
    „Ich ha­be sie­ben Jah­re auf die Er­leuch­tung ge­war­tet“, sag­te Sid­dhat­t­ha. „Oft­mals war ich in har­ter Be­dräng­nis, mit dem Bet­teln auf­zu­hö­ren und zu mei­ner Frau und mei­nem Sohn zu­rück­zu­keh­ren. Aber im­mer ha­be ich mir vor Au­gen ge­hal­ten, daß ich in dem Pa­last nie­mals wie­der glück­lich wer­den wür­de, so­lan­ge ich wuß­te, an­de­re leb­ten in Elend und Sor­ge. Aber ich kom­me der Er­kennt­nis, wie ich an­de­ren Glück be­rei­ten kön­ne, nicht nä­her.“
    Bud­dha hat­te sei­ne Of­fen­ba­rung al­so noch nicht er­fah­ren. „Habt Ihr Leh­rer ge­fragt? Die wei­sen Män­ner?“
    Sid­dhat­t­ha lä­chel­te nach­denk­lich. „Ich ha­be den großen Leh­rer Ala­ra auf­ge­sucht. ,Leh­re mich die Weis­heit der Welt’, ha­be ich ihn ge­be­ten. Er sag­te zu mir: ‚Stu­die­re die Ve­den, die Hei­li­gen Schrif­ten. In ih­nen liegt al­le Weis­heit.’ Aber ich hat­te die Ve­den be­reits stu­diert und kei­ne Er­leuch­tung er­fah­ren. Da­her wan­der­te ich wei­ter, bis ich zu ei­nem an­de­ren großen Leh­rer kam, Uda­ka, und ich bat auch ihn. Er sag­te zu mir: ‚Stu­die­re die Ve­den!’ Aber ich wuß­te, dar­in liegt kei­ne Ant­wort auf die Fra­ge, warum die Brah­ma­nen un­ter Krank­hei­ten, Al­ter und Tod lei­den. Ich be­zweifle auch, ob je­mand zur Weis­heit ge­langt, in­dem er sich selbst ver­letzt oder auf spit­zen Nä­geln sitzt.“
    „In mei­ner Kul­tur“, stimm­te ihm Bru­der Paul zu, „sagt man uns das glei­che. ‚Lest die Bi­bel.’ Doch die Krie­ge und das Elend der Men­schen dau­ern an, auch un­ter je­nen, die von sich be­haup­ten, die Bi­bel zu eh­ren. Ich ver­mu­te, die letzt­end­li­che Wahr­heit fin­den wir in kei­nem Buch. Und das Le­ben ist oft­mals

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