Die Visionen von Tarot
Herabwürdigung jenes Bildungssystems, sondern seine Erfüllung. Lernen lernen – das war echt gewesen, wenn auch das System selber sich als falsch herausgestellt hatte.
Aus Gutem mußte Gutes kommen und aus Bösem Böses, dachte er in Gedanken an Buddha. Statt dessen war er auf ein Gebäude von Sätzen gestoßen, von denen der eine besagte, der andere sei falsch, und der andere sagte, der erste stimme nicht. Ein Paradox. Irgendwie war Gutes aus Bösem entsprungen.
„Wenn du doch nur an dich selbst geglaubt hättest, o College-Verwaltung!“ murmelte er, mehr bedauernd als zornig. „Du hast soviel mehr geschafft, als du wußtest – wenn du nur mehr Zutrauen besessen hättest!“
Doch sie hatten die Zensuren unter Protest erteilt und sie unter dem Deckmantel der Heimlichkeit verborgen. Es war also von ihrer Seite teilweise eher ein Vertrauensmangel als ein vollständiger Vertrauensbruch. Auch das Fleisch des Colleges war also schwach.
Paul besah sich die einzelnen Zensuren für die verschiedenen Seminare an – und erhielt noch einen Schock. Sie entsprachen nicht der Realität.
Er vertiefte sich in die Papiere und las die Beurteilungen. Langsam wurde es ihm deutlich: Dies hier waren in der Tat seine Zensuren – aber nicht so, wie er sie verstanden hatte. Denn sie gaben kaum ein Drittel der Gesamtheit oder das, was ihm von den Beurteilungen seines Tutors bekannt war, wider. (Vor Will Hamlin hatte er drei verschiedene Tutoren gehabt.) Es waren die Meinungen der Lehrkräfte – genau wie bei anderen Schulen. Daher waren die Kurse, die auf Paul den größten Einfluß ausgeübt hatten, nur mit B oder C beurteilt und diejenigen, die einem bestimmten Lehrer am meisten am Herzen gelegen hatten, mit A. Das letzte war absolut richtig, aber auch bei den anderen traf dies zu, und dort hatte er niedrigere Zensuren bekommen. Der Leistungsunterschied war nicht so sehr von Paul ausgegangen, sondern von den Lehrern. So war also auch das Beurteilungssystem falsch.
Darüber hinaus hatte man Paul einige Kurse überhaupt nicht angerechnet; sie waren nicht einmal aufgeführt. Laienspiel und Musik, wo er Auftreten, Stimmbildung und musikalische Fähigkeiten erlernt hatte, die allesamt für seine spätere Entwicklung sehr wichtig waren, wurden nicht aufgeführt. Entweder durch einen Irrtum oder durch Vorsatz – wahrscheinlich traf eher das letztere zu, weil man diese Kurse als geringer einschätzte, ungeachtet ihrer Wirkung auf die Studenten – hatte man einen erheblichen Teil seiner universitären Entwicklung herausgeschnitten. Sauber, wie bei einer Beschneidung. Hätte er es gewußt, hätte er wohl protestiert. Aber der Schleier der Geheimnistuerei hatte ihm dieses Wissen bislang erspart.
Gab es jemals eine Rechtfertigung für Heimlichtuerei? Oder war das augenscheinliche Bedürfnis, irgend etwas zu verbergen, ob körperlicher oder informatorischer Art, ein Zugeständnis des Versteckenden, daß es sich um etwas Schändliches handelte? Sicher war der Akt des Verbergens selber schändlich. Darüber müßte er noch weiter meditieren.
Jedoch konnten die falschen Zensuren die Tatsache, daß er etwas gelernt hatte, nicht leugnen. Paul hatte dort profitiert, und zwar in hohem Maße aus den Erlebnissen in diesem Institut. War das nicht das Wichtigste an der Erziehung? Das College hatte ihn durch die verzerrten Aufzeichnungen nicht wirklich herabgewürdigt oder ihm etwas entzogen – es hatte lediglich seine Wirkung auf ihn unterschätzt. Wenn er im weiteren Leben gescheitert wäre, hätte dies nicht in der Akte gestanden, und wenn er Erfolg hatte, so gab es auch keine Vorhersage. Wie bei
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