Die Vogelkoenigin
anderen. Wo kommst’n her?«
»Aus Innistìr.«
»Hä? Wo soll das sein?«
»Man nannte es das Reich des Priesterkönigs.«
»Ah, verstehe. So weit ist es also gekommen. Na schön, Mädel, war nett, dich zu treffen, und jetzt rate ich dir, dich ganz schnell vom Acker zu machen, bevor die Elfenpolizei auf dich aufmerksam wird. Wichtige Regel: Niemals auffallen, denn der Aufenthalt in der Menschenwelt ist uns eigentlich verboten.«
»Ich bin ein Mensch ...«
»Nicht in diesem Zustand, Herzchen. Wer weiß, was da aus dir rauskommt, wenn es mal reif ist. Nichts Gutes jedenfalls nach dem, was du mir erzählt hast. Die werden dich niemals frei rumlaufen lassen. Also, falls sie dich erwischen - ich kenn dich nicht.«
Galti nahm seinen Flachmann und fädelte sich in den Menschenstrom ein. Bald war er in der Menge verschwunden, und Laura wusste nicht mehr weiter.
Sie sollte in ein Kaufhaus gehen, dort war es wenigstens warm. Wenn sie nicht mehr so sehr fror, ging es ihr bestimmt bald besser. Sie musste auch etwas essen und trinken; sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann sie zuletzt etwas zu sich genommen hatte. Wie lange mochte sie jetzt hier sein?
Hier. Nicht: zu Hause. Das war sie nicht, nicht so und nicht allein. Sie hatte eine Verpflichtung den anderen gegenüber, die mit ihr gestrandet waren und auf sie zählten. Sie musste wieder zurück! Aber ... wie?
Sie hätte Galti fragen sollen. Es gab also auch in München Elfen, wer hätte das gedacht. Sie lebten heimlich unter den Menschen. Und nicht nur, weil sie einen Auftrag als Sucher hatten oder Diebe waren.
Also, der Plan war: aufwärmen und dann nach einem Elfen suchen, der ihr den Weg nach Innistìr zeigen konnte.
Ganz einfach. Sie hatte Schlimmeres überstanden. Den Fliegenden Holländer im Schachspiel besiegt beispielsweise. Und ...
Der Boden rutschte unter Lauras Füßen weg, einfach so. Den Aufschlag spürte sie schon gar nicht mehr.
8
Vorhaltungen und
eine letzte Chance
A us dem Weg!«, fauchte der Löwenmann auf dem Weg zum Fallreep. Den Steuermann sah er nirgends, und das war dessen Glück. Er war so wütend, dass er sich liebend gern an ihm abreagiert hätte. Die Mannschaft hatte vor der Kajüte Position bezogen; die Männer wichen nun erschrocken zurück. Sicherlich hatten sie die immer lauter werdenden Stimmen aus der Kajüte gehört und mit dem Schlimmsten gerechnet.
Die Seelen waren nirgends zu sehen, und das verwunderte Leonidas nicht. Zumeist konnte man sie nur erkennen, wenn es beabsichtigt war - wie etwa beim Angriff, wenn sie als Rammkeil benutzt wurden, oder zur Vorführung wie vorhin in der Kabine.
Ohne sich weiter aufzuhalten, sprang er über die Reling, packte das Fallreep und kletterte rasch die schwankenden Tritte hinunter. Die schwarze Galeone hatte an Höhe gewonnen, was Absicht sein konnte, vielleicht aber auch notwendig war wegen des Fluches.
Unten sah Leonidas Delios galoppieren, sein Pferd am Zügel in der Hand. Immer wieder blickte der Soldat nach oben, um Geschwindigkeit und Richtung anzupassen, damit er so nah wie möglich unter dem Fallreep blieb.
Leonidas zweifelte nicht daran, dass er den Sprung aus der Höhe schaffen konnte, aber für sein Pferd würde es eine schwere Belastung werden, das Fallgewicht abfangen zu müssen.
Er wird es schaffen, ist ein tapferer Bursche, dachte er. Ich werde ihm später auch eine Extraration von dem Nichts geben, das wir noch bei uns führen. Dann fiel ihm ein, dass er in seiner Weinseligkeit, die sich nun als weise Voraussicht herausstellte, einen Apfel in seine Tasche gesteckt hatte. Einen echten, saftigen Apfel; mochten die Götter wissen, warum Fokke so etwas in seiner Kabine hatte. Wahrscheinlich, um sich lebendiger zu fühlen; er sehnte sich wohl danach.
Leonidas war an der letzten Sprosse angekommen, hielt sich mit den Händen daran fest und ließ die Beine frei schwingen. Der Wind pfiff ihm eindeutig wütend um die Ohren, aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Der Sprung würde sehr schwierig werden bei diesen ständig wechselnden Verhältnissen, selbst für ihn. Leonidas überlegte, ob er nicht besser direkt zu Boden springen sollte. Da unten war Sand, was das Abfedern erleichterte. Sich das Genick brechen würde er sicher nicht, er war zur Hälfte Löwe mit elastischen Knochen und traf stets den richtigen Landepunkt.
Ach was, sollte er den Sattel verfehlen, blieb ihm immer noch diese Lösung.
Leonidas nahm Maß, sah, wie Delios ihn beobachtete,
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