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Die Vogelkoenigin

Titel: Die Vogelkoenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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in Lebensgefahr.
    »Du, Mama, was hat’n die Frau?«, erklang die schrille Stimme eines Kindes in ihre Gedanken, und sie sah sich verstört um.
    Eine Frau packte ihren Sprössling, der mit dem Finger auf sie zeigte, und zog ihn mit sich. »Lass sie, Karl-Albrecht, mit der haben wir nichts zu tun.«
    »Aber die ist so komisch!«
    »Es geht dich nichts an, wenn andere merkwürdig sind.« Damit riss sie ihn so energisch fort, dass er beinahe hingefallen wäre, und er trippelte eilig neben seiner Mutter her.
    Laura hörte, wie andere Leute flüsterten, sah, wie sie angestarrt und ihr ausgewichen wurde, während sie langsam weiterging. Die Kälte biss ihr immer mehr in die Haut, und sie spürte, wie das Fieber anstieg. Dieses Klima war nicht gerade förderlich für ihren angeschlagenen Zustand.
    Zwei Mädchen blieben stehen, prusteten hinter vorgehaltenen Händen und flüsterten kichernd miteinander, während sie »ganz unauffällig« zu ihr hinstarrten, vor allem ihre Kleidung schien es ihnen angetan zu haben.
    Zugegeben, sie war ein wenig ungewöhnlich für den Winter angezogen und sah reichlich mittelalterlich aus, aber war München nicht eine Film- und Kulturstadt? War es etwa so ungewöhnlich, dass jemand in Theaterklamotten herumlief?
    »Spießer!«, fuhr sie die beiden Mädchen an und kam sich furchtbar alt vor. »Alberne Hühner.«
    Sie antworteten etwas, das sie nicht verstand, und zogen lachend weiter.
    Laura rieb sich die Arme und stampfte mit den Füßen auf. Die Straße war von Schnee befreit, er lag nur noch rund um die Bäume und an den Rändern, aber an den Bäumen klebte dicker Frost. Es musste deutliche Minusgrade haben. Laura begriff, dass sie das nicht mehr lange aushalten konnte.
    Na super, dachte sie bitter. Donalda, die Pechvogelin, findet den Weg nach Hause und erfriert wenige Minuten später in der Münchner Fußgängerzone und wird anonym verscharrt.
    Sie hätte am liebsten geweint, aber alles in ihr war trocken oder bereits erfroren. Was sollte sie jetzt nur tun, wohin gehen? Sie hatte niemanden mehr auf der Welt. Zoe war ihr als letzte Freundin geblieben, nachdem ihr Freund per SMS Schluss mit ihr gemacht und die WG sie kurzerhand auf die Straße gesetzt hatte.
    Du kannst zu deinen Eltern gehen.
    Ja klar, in diesem Zustand. Mit keinerlei Erklärungen, wie es dazu gekommen war. Ihr Vater würde triumphieren und sie zusätzlich noch treten, solange sie am Boden lag. Ich hab’s dir ja gesagt, ich habe dich gewarnt, du wolltest nicht auf mich hören, da hast du es ...
    Und Mutter würde sie kurzerhand vor die Tür setzen, weil sie mit einer Schlampe nichts zu tun haben wollte und deshalb keine Tochter mehr hatte. Wahrscheinlich war sie auch noch schwanger - was würden die Leute reden!
    Gar nichts, wen interessierte es, wenn die Tochter von irgendwem schwanger war, das kam täglich hundertmal vor. Man lebte ja schließlich nicht mehr im vorigen Jahrtausend. Aber ihre Eltern stammten eben daraus, aus einer Zeit, in der sie angeblich Deutschland aufgebaut hatten und auf Sitte und Anstand achten mussten, weil sonst unweigerlich alles vor die Hunde ging.
    Nein, das war der letzte Ort, zu dem Laura gehen konnte, und auch dann nur als Gespenst mit rasselnden Ketten und den drei Geistern der Weihnacht.
    Sie wischte über die brennenden Augen und musste stehen bleiben, als sie ein trockener Hustenanfall quälte. Sie fing unkontrolliert an zu schlottern, als der Schüttelfrost sie überfiel. Jetzt wurde es wirklich ernst.
    Sie hielt einen Mann auf, der ihr entgegenkam. »Entschuldigen Sie, könnten Sie mir bitte helfen?«
    »Ich hab kein Geld. Geh arbeiten!«, fauchte der Mann sie an und verzog angewidert das Gesicht. »Und wasch dich mal, du stinkst wie ein Schweinestall!« Er eilte hastig weiter.
    Laura versuchte, andere Leute um Hilfe zu bitten, sie in ein Krankenhaus zu bringen oder mit dem Handy wenigstens einen Arzt zu rufen. Viele beschleunigten lediglich ihren Schritt, ohne sie anzusehen, die eine oder andere Gruppe schubste sie einfach beiseite, beschimpfte sie als »besoffene Punkerin« oder als »elenden Junkie« oder hatte weitaus weniger schmeichelhafte Bezeichnungen parat.
    Laura fühlte sich elend und wurde immer verzweifelter. Sollte sie tatsächlich zum Tode verurteilt sein? Hier, am helllichten Tag in einer Großstadt, mitten unter Menschen - also ihresgleichen?
    »Fass sie bloß nicht an!« Wieder eine Mutter, die hastig ihr Kind zurückzerrte. »Die ist bestimmt ansteckend, so, wie die

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