Die Vogelkoenigin
wartete den geeigneten Moment ab und ließ los.
Sein Pferd wieherte, noch bevor er ihm mit voller Wucht in den Rücken knallte. Für einen Augenblick blieb auch Leonidas die Luft weg, denn der Pferderücken unter ihm war wie ein Brett und gab kein bisschen nach. Der Hengst hatte in Erwartung der Last die Muskeln bis aufs Äußerste angespannt. Der Aufprall mit gegrätschten Beinen war daher nicht sonderlich angenehm.
Sein Pferd warf einen Blick nach hinten, als habe es seine Gedanken gehört, und er lachte. Das löste einiges von seiner Wut. Er bedeutete Delios, zu einer kleinen Düne zu reiten. Kaum angekommen, saß er mit schmerzenden Gliedern ab, ächzte leise und tätschelte dem Pferd den Hals, bevor er ihm den Apfel gab. »Bist ein braver Junge«, murmelte er. Das schweißnasse Tier schmatzte fröhlich die saftige Frucht und schüttelte sich anschließend.
»Lief wohl nicht so gut«, bemerkte Delios und setzte sich neben ihn in den Sand.
»Nein«, brummte Leonidas. »Hol sie alle her, wir müssen neu planen.«
Sein Vertreter gehorchte, und der General nutzte die Zeit, um zu verschnaufen. Er starrte zum Himmel hoch; der Tag brannte heiß, und sie verbrauchten viel zu viel Energie und Wasser ohne Aussicht, beides auffüllen zu können. Die in den Felsen Verschanzten lachten sich wahrscheinlich ins Fäustchen; wenn sie nicht sogar Wasser hatten, so fanden sie zumindest Kühlung im Schatten. Sie wussten genau, dass der General nicht mehr als zwei, allerhöchstens drei Tage an Belagerung durchhalten konnte. Für länger hatten sie kein Wasser, abgesehen von Essbarem. Jagen konnten sie in dieser Gegend praktisch nichts; was hier lebte, hielt sich tief unterirdisch verborgen und bekämpfte sich dort. Eher würden sie als Beute angesehen ...
Die Soldaten trafen bald ein, und Leonidas trug ihnen eine Pause auf, Sonne hin oder her, sie konnten nicht den ganzen Tag vor den Felsen auf und ab reiten. Bis zum Sonnenuntergang blieben vielleicht ein paar Stunden.
Er setzte Delios die Lage auseinander und schloss: »Wir müssen uns darauf einstellen, unseren Kampf auf Fokke auszuweiten. Hierzu sollten wir am besten die Speerwerfer und Bogenschützen einsetzen und Zusehen, dass die anderen die Felsen stürmen. Egal wie, wir müssen da hinein.«
Sein Stellvertreter überlegte. »Es gäbe da eine Möglichkeit ...«
Leonidas sah ihn an, dann fiel es ihm ein. »Den Grond-Zauber?«
»Wenn wir uns zusammentun, könnten wir es schaffen«, fuhr Delios fort. »Es ist unglaublich anstrengend, ich weiß, aber wenn wir innerhalb der ersten halben Stunde unseres Angriffs nicht hineingelangen, sollten wir es versuchen.«
»Aber du weißt, was das für Folgen hat?«
»Ja. Damit werden wir schon irgendwie fertig, du und ich.«
»Mir gefällt das nicht, Delios.« Leonidas schaufelte eine Handvoll Sand und ließ sie zwischen den Fingern hinunterrieseln. »Ich bin ein Krieger, kein Magier.«
»Alberich hat uns damit ausgestattet, also sollten wir es verwenden.«
Der Zauber funktionierte nur ein einziges Mal. Aber vielleicht war die Gelegenheit tatsächlich gekommen, ihn anzuwenden.
»Na schön, ich denke darüber nach.«
»Wir könnten beispielsweise Fokke fragen, ob er uns ein paar Seelen als Rammbock zur Verfügung stellt. Wird er bestimmt tun.«
»Ich sagte, ich denke darüber nach!«
Leonidas stand auf und sah sich nach einem Pferd um, das noch nicht völlig erschöpft war. Etwas stupste ihn in den Rücken, und er drehte sich um.
»Dich wollte ich eigentlich schonen.«
Die Samtschnauze seines Hengstes war noch mit Apfelsaft beschmiert. Seine Augen funkelten unternehmungslustig. Ich lasse mich nicht abweisen, hieß das. Also schön.
»Wenn ich zurückkomme, greifen wir an«, sagte er zu Delios, während er aufsaß.
Ich darf nicht versagen, dachte er. Diese Situation ist völlig verworren.
Leonidas ritt nahe genug an die Verschanzten heran, dass sie ihn verstehen, aber nicht mit den Pfeilen erreichen konnten.
»Finn!«, rief er. »Komm heraus, ich will mit dir reden!«
»Er will aber nicht mit dir reden«, kam es zurück. »Hau ab, wir halten gerade Mittagsschlaf.«
Sein Zorn wuchs erneut. »Ich weiß, du kannst mich hören!«, schrie er mit seiner Löwenstimme. »Lass dir gesagt sein, dein Lügenhaus ist zusammengebrochen, ich bin über alles im Bilde!«
»Na, dann kannst du erst recht gehen, du hast ja alle Antworten!«, gab ihm eine andere Stimme Antwort. Er konnte nicht ausmachen, von woher sie kam, es hallte zu
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