Die Vogelkoenigin
er.
»Was geht da vor sich?« Die Soldaten aus Dar Anuin drängten sich an jedem erreichbaren Ausguck. Die Löwenkrieger hatten auf breiter Front in Reihen Stellung bezogen, immer versetzt ein Mann zwischen den Vordermännern. Sie erhoben die Schwerter und schlugen gegen die hochgehaltenen Schilde.
»Grond! Grond! Grond!«
»Was heißt das? Was rufen sie?«
Prinz Laycham rieb sich den schweißnassen schmerzenden Nacken. Dann begriff er plötzlich.
»Schnell!«, schrie er. »Verstärkt den Felsen von innen! Verbarrikadiert den Eingang, holt alles, was schwer genug ist! Und macht schnell, bei allen Eulen Dar Anuins!«
Finn blieb stehen und lauschte. »Wir scheinen in Schwierigkeiten zu geraten.«
»Gut, dass wir es vorher nicht waren«, erwiderte Zoe sarkastisch.
»Ich glaube, er will den Felsen rammen.«
»Was du nicht sagst! Ich wundere mich, warum ihr nicht gleich darauf gekommen seid. Wenn ein Mann nicht zum Zuge kommt, rammt er sich den Weg frei.«
»Aber womit denn? Er hat doch gar keinen ... Oh!« Finn schlug sich gegen die Stirn. »Er schafft ihn sich ... magisch.«
Nidi hatte die Pinselöhrchen aufgestellt. »Klingt wie Grond «, sagte er.
»Natürlich«, stöhnte Finn. »Er benutzt einen Mythos. Passend zu diesem Reich. Alberich muss es gewusst haben.«
»Ich verstehe kein Wort«, sagte Zoe ratlos.
»Pssst!«, fuhr Nidi dazwischen. »Da ... da ist noch etwas! Hört!«
Sie lauschten angestrengt, und dann blickten Zoe und Finn sich in gleichzeitiger Erkenntnis an. Es klang wie ein ferner ... Hilferuf.
»Milt!«, schrie Finn auf und rannte los.
Leonidas hörte die Schreie der Verschanzten und konnte sich vorstellen, in welcher Hektik sie sich befinden mussten, sobald sie erkannt hatten, was er vorhatte.
Zu spät, meine Hübschen.
Seine Krieger stampften, schlugen die Schwerter gegen die Schilde und beschworen ihn herauf. Grond.
Der Name klang wie ein Gong in seinem Inneren, brachte ihn zum Klingen und Vibrieren, und seine mächtige Gestalt schwankte unter der gewaltigen Macht, die sich mehr und mehr in ihm aufbaute und darauf drängte, hervorzubrechen.
»Ich kann bald nicht mehr«, keuchte Delios neben ihm, taumelte, beugte sich nach vorn und übergab sich stöhnend in den Sand.
Leonidas ließ nicht locker, zog weiter seine Energie ab, er konnte nicht mehr abbrechen, und noch weniger durfte er zaudern. Sie hatten nur diesen einen Versuch - einen zweiten würden sie wahrscheinlich sowieso nicht überleben.
Dunkles Blut tropfte in den Sand, das ihm inzwischen aus den Poren trat. Der Schmerz war schier unerträglich.
Das rhythmische Stampfen und Schlagen hämmerte in seinen Gehörgängen und brachte sie ebenfalls zum Bluten. Dampf quoll aus seinen Nüstern, und aus dem tiefsten Inneren drang ein Grollen hervor.
Delios brach hustend in die Knie, spuckte Blut.
Leonidas streckte die Arme mit den tanzenden Kugelblitzen auf seinen Handflächen aus. Sein gesamter Körper wurde von Energiegewittern eingehüllt, Querschläger und Überladungen schlugen donnernd ringsum in den Sand, züngelten nach den Felsen. Er hoffte, dass er den richtigen Augenblick gewählt hatte. Zu früh oder zu spät, und es wäre zu Ende.
»Jetzt!«, brüllte er mit Löwenstimme und schleuderte die Kugelblitze auf den blockierten Eingang des Felsgebirges.
Sie rasten darauf zu, wuchsen mit explosionsartiger Geschwindigkeit an, vereinigten sich und weiteten sich aus, formten im knisternden und rauschenden Blitzgewitter ein Gewebe, das einem gewaltigen Sauschädel ähnelte, mit feurigen Augen und riesigen Hauern.
Der mächtigste Rammbock, den es in diesem Reich jemals gegeben haben mochte.
Und in allen anderen Reichen wahrscheinlich auch.
Finn und Zoe rannten tief ins Labyrinth hinein, in einen der neu geschaffenen Gänge. Nidi sauste ihnen voraus, über die Felswände hinweg. Die Stimmen ihrer Gefährten lagen inzwischen hinter ihnen. Es wurde düster und kühler, Staub flog unter ihren Schuhen auf.
»Milt!«, rief Finn. »Kannst du uns hören? Wir sind auf dem Weg!«
»Hier entlang«, kam eine schwache Antwort. Durch das Echo der Wände war die Richtung nicht leicht auszumachen.
»Nidi ...«
»Weiß schon.« Der Schrazel kletterte schneller voran und wies ihnen den Weg; seine feinen Ohren hatten vernommen, von woher der Ruf gekommen war.
»Finn!« Diesmal klang Milts Stimme sehr viel näher. »Wir sind hier!«
»Wir«, stieß Zoe hervor, und es klang, als hätte sie einen Kloß verschluckt. »Er hat wir
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