Die Vogelkoenigin
Löwenkrieger bewegten sich unruhig, blieben aber an Ort und Stelle. Mehr als ein kurzes Flackern der Aura gab es nicht als Reaktion.
Was nun? Rausgehen und angreifen?
Nein. Bevor sie Leonidas und den anderen erreicht hätten, wären auch seine Soldaten zur Stelle, wenn sie sie nicht ohnehin mit Pfeilen aus der Entfernung niederstrecken würden.
Ein paar Pfeile hinterherschicken, die mit Sicherheit eine größere Reichweite hatten? Die aber würden wahrscheinlich an den magischen Auren wirkungslos abprallen und wären somit verschwendet. Und sie hatten ja erlebt, dass Leonidas einen zusätzlichen magischen Schutz vor einem Hinterhalt besaß. Laycham fragte sich, in welcher Beziehung der Löwenmensch und der Drachenelf zueinander standen, dass er derart ausgestattet worden war. Kein Wunder, dass seine Schar überall Angst und Schrecken verbreitete und als unbesiegbar galt.
Da habe ich mich ja auf etwas eingelassen , dachte er. Er wusste, dass einige seiner Männer der Ansicht waren, sie hätten sich heraushalten sollen, wie er es zu Anfang erklärt hatte. Aber Zoe hatte darauf bestanden, weil es sich um ihre Freundin Laura handelte. Seine Ehre und sein Adel verlangten ohnehin, den Schwächeren beizustehen. Erst recht, da es sich um Zoes Freunde gehandelt hatte, denn er stand in der Schuld der Gesandten.
Der Prinz wusste allerdings, dass er sich selbst bei anderer Ansicht blind auf seine Männer verlassen konnte. Sie akzeptierten seine Entscheidung und standen treu zu ihm. Wahrscheinlich hatten sie inzwischen Gefallen an dieser Auseinandersetzung gefunden, denn es lenkte ab von ihren eigentlichen Problemen - nämlich, dass sie nirgends hingehen konnten und heimatlose Flüchtlinge und Habenichtse waren.
Außerdem empfanden sie Respekt gegenüber der Gesandten, denn sie war schließlich die Trägerin des Blauen Mals. Und keine Betrügerin. Das Mal ging nicht mehr ab. Das musste etwas zu bedeuten haben; vielleicht eines Tages die Erlösung ihres Herrn.
Ja, Erlösung ... Laycham hatte bereits vorzeitig eine Dosis seines Mittels verbraucht, und er fühlte immer noch ein heißes Brennen seiner Haut. Die Maske behinderte ihn, denn zusätzlich juckte der trocknende Schweiß. Hass schäumte in ihm hoch, auf seinen Vater, der ihm das angetan hatte und der Laychams Mutter ermordet hatte.
Deine Tage sind gezählt, alter Fettsack, dachte er grimmig. Meine Rache ist nicht mehr fern ...
Dann musste er über sich selbst lachen. Wer sagte ihm denn, dass er hier lebend und vor allem frei herauskam?
Weil es so ist.
»Bastard!«, schimpfte Delios. Der Speer hatte nur einen Hauch von seiner Stiefelspitze entfernt eingeschlagen.
Leonidas fletschte die Zähne. Gut abgemessen. Aber das würde ihnen nichts nützen. »Es ist gleich so weit.«
Er spürte, wie sein Stellvertreter die Konzentration wieder verstärkte. Ein glühender Strom floss durch seine Adern, trat an den Fingerspitzen aus, sickerte aus Augen, Ohren, Nase und Mund. Immer mehr strömte aus ihm, entzündete sich, und Blitze zuckten um ihn herum. Er hob die Hände, und die Blitze strahlten weiter, verästelten sich, schlugen zischend in den Sand ein und schmolzen ihn zu Glas.
Leonidas spürte, wie Macht ihn durchströmte, und geriet geradezu in einen Rausch. Es gab kein Gefühl auf der Welt, überhaupt keines, das diesem hier auch nur annähernd gleichkam. So musste Alberich sich fühlen, wenn er wieder einen Sieg errungen hatte. Es konnte süchtig machen, nach Steigerung verlangen, nach noch mehr Macht und Lustgewinn.
Ein Grollen drang aus seiner Kehle, als er sich der magischen Macht hingab, denn er wusste, dieser euphorische Moment würde nur kurz währen, und dann würde es umschlagen in Schmerz und ihn verschlingen.
Doch für einen Moment sich als grenzenloser Herrscher fühlen, der Wind und Wetter beherrschte, der Blitze schleudern konnte, der unbesiegbar war ... das mochte es wert sein. Ein König zu sein, Herr über Leben und Tod.
Leonidas drehte die Hände mit den klauenartig verkrümmten Fingern nach oben, saugte Delios’ Aura in sich ein, verdoppelte seine Kraft. Auf seinen Handflächen bildeten sich rasch wachsende grellrote Energiebälle, Kugelblitzen gleich.
»Lass sie in Stellung gehen!«, befahl er. Seine Stimme klang gepresst. Schon durchzuckte der erste Pfeil aus Schmerz seinen Körper, stach wie ein Messer, wie tausend Nadeln.
Sein Gesicht war eine verzerrte Fratze, und dennoch entblößte er grinsend seine Reißzähne. »Grond!«, rief
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