Die Vollstrecker
so gut wie möglich. Noch war die Abzweigung nicht in Sicht. Hätte sie das Haus nicht geerbt, wäre sie schon längst woanders hingezogen. Eine kleine Wohnung in der Stadt, das war eigentlich ihr Traum. Auf der anderen Seite konnte sie sich nicht entschließen, das Haus zum Verkauf anzubieten. Vielleicht lohnte sich auch eine Vermietung. Darüber mußte sie noch nachdenken, falls es eine Zukunft gab.
Im Rückspiegel beobachtete Purdy den Himmel hinter dem Wagen und auch hoch über ihm. Sie suchte nach Anzeichen des Monstrums, das plötzlich aus den Wolken nach unten jagte und sich dabei wieder ein neues Ziel suchte.
Es war nicht der Fall. Der Himmel über ihren Köpfen blieb grau und wolkig. Es nieselte auch kein Regen herab, und der schwache Dunst hielt sich ebenfalls in Grenzen.
Es war Winter. Nichts blühte. Vögel durchsegelten die Luft wie dunkle Todesboten. Eine völlig normale Szenerie, aber Purdy glaubte nicht daran. Die Bestie war ihnen auf den Fersen. Sie sah das Tier zwar nicht, aber sie spürte es und bekam eine immer stärkere Gänsehaut, wenn sie daran dachte.
Das fiel auch Eric auf, und er fragte: »Was ist mit dir?«
»Ich kann es dir nicht sagen, aber ich glaube, daß es mit unserer Sicherheit bald vorbei ist.«
»Siehst du es denn?«
»Nein.«
»Dann hoffe weiter.«
»Mein Gefühl sagt mir, daß es unterwegs ist.«
»Gefühle können täuschen.«
»Hör auf, mach dir nichts vor. Das sagst du einfach nur so. Nein, nein, ich bin mir sicher.«
»Aber du hast es nicht gesehen?«
Purdy hob nur die Schultern, bevor sie sich wieder umdrehte und durch die Heckscheibe schaute.
Der Himmel war leer, doch das beruhigte sie keineswegs. Wolken boten ein gutes Versteck. Sie konnte sich vorstellen, wie das mächtige Ding zwischen ihnen durchsegelte, immer auf der Suche nach den beiden Opfern.
Erics Frage störte ihre Gedanken. »Wann müssen wir abbiegen?« fragte er.
»Noch nicht.«
»Sag aber früh genug Bescheid.«
»Keine Sorge, ich kenne mich hier aus.«
Zwei Fahrzeuge kamen ihnen entgegen. In einem hockten Jugendliche dicht gedrängt. Der zweite Wagen war ein Kombi, dessen Ladefläche vollgestopft mit Waren war.
Purdy freute sich, die beiden Autos zu sehen. Sie waren etwas Reales, im Gegensatz zu diesem Monstrum, das zwar auch in der Realität existierte, aber trotzdem für sie irreal war. Sie kam damit einfach nicht zurecht, obwohl sie irgendwann gezwungen sein würde, sich der verdammten Bestie zu stellen.
Wieder der Blick zurück.
Da sah sie es.
Nein, nicht so genau, aber die Wolken schienen sich geteilt zu haben. Und als sie genauer hinschaute, entdeckte sie den gewaltigen Umriß, der durch die Schwingen des Monstrums entstanden war. Für einen Moment hielt sie den Atem an und versteifte sich, was Eric auffiel.
»Was gibt es?«
»Es ist da!«
»Scheiße!« fluchte er. »Wo denn?«
»Uber uns!«
»Direkt?«
»Nein, noch dahinter.«
La Salle überlegte. Er wußte auch, daß es nicht viel brachte, wenn er das Tempo erhöhte. Die Bestie war immer schneller als sie. Manchmal hatte er den Eindruck, als beherrschte dieses Wesen selbst die Gesetze der Natur.
Die Landschaft um sie herum war viel leerer geworden. Nur vereinzelt ragten die Häuser aus dem flachen Gelände auf. Wenn mal ein halbes Dutzend zusammen standen, war das schon viel. Ansonsten beherrschten Felder und ab und zu ein paar Bäume diese Landschaft am Rand der Stadt.
»Siehst du es noch immer?«
»Nicht mehr so deutlich.«
La Salle versuchte selbst, es zu entdecken. Er bohrte seine Blicke in den Innenspiegel, ohne allerdings erfolgreich zu sein. Das Ding geriet nicht in sein Sichtfeld.
Als Vollstrecker hatten er und Purdy sich gefühlt. Das war vorbei. Er kam sich jetzt vor wie jemand, der genau das Gegenteil war und vor einem Feind davonrannte.
»Du mußt gleich abbiegen«, sagte Purdy, ohne dabei ihre Haltung zu verändern. Noch immer schaute sie durch die Scheibe und atmete dabei schnaufend.
»Wann genau?«
»Hinter den nächsten drei Bäumen auf der rechten Seite. Es sind Birken. Du kannst sie nicht verfehlen.«
»Okay. Aber du wohnst allein?«
»Ja, wieso?«
»Ich will nur wissen, ob noch mehr Häuser in unmittelbarer Umgebung stehen.«
»Das nicht.«
Die Bestie war da, Purdy wußte es genau. Sie sah es nicht, aber hinter den dünneren Wolken erkannte sie die Bewegungen. Da sah es so aus, als wäre ein riesiger Fisch dabei, sich durch die Luft zu bewegen, um ganz lässig seine Beute zu
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