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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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loszuwerden?
    «Wahrscheinlich haben Sie bereits im Infomaterial auf Ihren Zimmern gelesen, dass diesen Felsen unweit unseres Hauses eine besondere Bedeutung zugesprochen wird. Sie sind nicht nur Zeugnisse des bizarren Einfallsreichtums der Natur, sondern auch ein menschliches Kulturdenkmal, bei dem sich heidnische Bräuche mit christlichen Lehren, astronomische mit spirituellen Besonderheiten vereinen. Wir hier im Teutoburger Wald sagen gern: Hätte Mutter Erde einen Nabel, so sähe er aus wie die Externsteine!»
    Einige lachten kurz, vielleicht nur um zu demonstrieren, dass sie den Ausführungen gelauscht hatten.
    «Als unsere Klinik für werdende Mütter vor rund dreißigJahren gegründet wurde, suchten wir lang nach einem passenden Namen. Wir sind ein privates Kurunternehmen, wir verpflichten uns keiner Organisation, bei uns ist jede Frau willkommen, Religion und Weltanschauung sind uns gleich. Und diese Toleranz wollten wir mit unserem Namen vermitteln. Wir fanden das Symbol, und was noch wichtiger war: Wir fanden es gleich vor der Haustür, bei den Externsteinen, die so vielen verschiedenen Menschen Ruhe und Kraft gegeben haben. Eine Zufluchtsstätte in der Steinzeit, dann heidnisches Heiligtum, vielleicht sogar die so genannte
Irminsul
, die von Karl dem Großen persönlich zerstört und zu einem christlichen Versammlungsort verwandelt wurde.»
    Eine Frau, Typ humorlose Perfektionistin mit dickem Brillengestell, meldete sich. Die Klinikleiterin nickte ihr zu.
    «Stimmt es nicht auch, dass selbst die Nazis den Ort dort für ihre Propaganda genutzt haben? Ich habe mal darüber gelesen. War es in der
Zeit
? Oder im
Spiegel
? Ich bin mir nicht ganz sicher.»
    Viktoria Meyer zu Jöllenbeck seufzte. «Da sprechen Sie einen unschönen Aspekt an, aber: Ja, das stimmt leider. Doch   …»
    «…   und gibt es nicht auch heute neonazistische Treffen dort?», hakte die gut informierte Brillenschlange nach.
    «Nein, heute nicht mehr. Zumindest nicht in dem Maße. In den späten achtziger und frühen neunziger Jahren war es eine Zeit lang recht schlimm. Aber die Polizei ist mit einer Großoffensive erfolgreich dagegen angegangen, und inzwischen haben die so genannten Esoteriker den Ort für sich entdeckt. Wegen der spirituellen Kraft, die dort strömen soll. Bad Meinberg hat ja auch das größte Yoga-Zentrum Europas, entsprechend viele reisen auch zu den Steinen, um zu meditieren und körperliche Entspannungsübungen zu machen.»
    «Sex?», rief eine Vorlaute mit blondiertem Haar dazwischen und erntete einige Lacher.
    «Das weiß ich nicht genau», reagierte die Klinikleiterin unspaßig und schwenkte schnell auf sicheres Terrain. «Bei der Sommersonnenwende, also dem längsten Tag des Jahres, wird ein faszinierendes Spektakel gefeiert, mit Feuerschluckern und Fakiren. Aber Nazitreffen gibt es Gott sei Dank nicht mehr. Der Ort hat keine – wie sagt man so schön   –, keine sichtbaren braunen Flecken mehr.»
    Die Brillenschlange konnte nicht an sich halten und erhob erneut ihren eifrigen Meldefinger. «Und was ist mit der Wintersonnenwende? Ich habe gehört, dass die Feste der Ewiggestrigen sich lediglich um ein halbes Jahr auf die längste Nacht verschoben haben.»
    «Nein, das kann ich so nicht stehen lassen», entgegnete die Leiterin etwas zu barsch. «Das Fest zum 21.   Dezember folgt zwar einem altgermanischen Brauch, dem Julfest, und beruft sich auch auf die These, dass an den Externsteinen schon vor der Christianisierung eine Kultstätte gewesen ist. Aber dieses Fest wird von den
Wacholderteufeln
geleitet. Dies ist eine Art Teutoburger Heimatverein. Vielleicht etwas konservativ, aber es wäre infam, dieses Engagement für alte Traditionen mit dem Irrsinn der Nazis zu vergleichen.»
    «Aha!», sagte die kritische Fragenstellerin und setzte einen gekonnt skeptischen Blick auf. «Aber wenn ich mich nicht irre, gab es doch vor ungefähr zehn Jahren hier ein paar wenig schöne Zwischenfälle mit einer Gruppe namens   … ach, ich komm jetzt nicht drauf   …»
    «Sie meinen die
Teufelskinder
, nehme ich an», sagte die Kurleiterin mit deutlichem Missfallen. «Gibt es nicht mehr. Ganz sicher   …»
    Die Bebrillte schien es nicht so recht glauben zu wollen, hielt sich aber zurück. Vielleicht war ihr nicht entgangen, dass den wenigsten in dieser bunten Runde der Sinn nach politischen Diskussionen stand.
    «Also, ja, weiter im Text   …» Viktoria Meyer zu Jöllenbeck war aus dem Konzept gekommen. «Also

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