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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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brach sie aus den über das ganze Grundstück verteilten Lautsprechern: «Der Winter ist gekommen. Die Zeit der Dunkelheit bricht an. Öffnet die Türen für mich und meine Nachfahren! Zwölf Tage und Nächte wollen wir unter euch sein!»
    Planmäßig spielte das Orchester nun sein erstes Stück: die Ouvertüre einer Oper, die ein ehemals in Detmold lebender Komponist geschrieben hatte. Stefan kannte sich mit Musik nicht aus, erst recht nicht mit klassischer, doch diese Klänge passten genau zur Kälte, zur Dunkelheit, kurzum, zur ganzen Stimmung.
    Er schaltete den Spot ab. Ilja Vilhelm, der Wacholderteufel, stand wieder im Dunkeln. Er würde nun eine kleine Pause haben, denn nach der Musik kam ein Hexentanz, dann ein Lied vom singenden Bäcker, anschließend würde das Stück mit den Kindern beginnen. Erst dann würde die dramatische Kletterpartie auf dem Felsen den Höhepunkt des Festes bilden. Und als Abschluss kämen die brennenden Räder zum Einsatz.
    Stefan hatte keine Zweifel mehr, dass alles glatt gehen würde. Was sollte schon passieren?
    Nach den letzten Tagen, wo so vieles geschehen war, wo so viel Verdrängtes wieder zum Leben erwacht war, wo er Dinge getan hatte, die er sich selbst niemals zugetraut hätte – nach den letzten Tagen durfte einfach nichts mehr kommen.

29
    Als Wencke zu sich kam, lag sie über der Schulter des Fremden, der sie durch einen Flur trug. Erst allmählich arbeiteten ihre Sinne gut genug, dass sie das Kellergeschoss erkennen undden Schwimmbadgeruch wahrnehmen konnte. Kurz nach diesen Eindrücken wurde ihr der Schmerz im Bauch bewusst. Der Kerl hatte sie rücksichtslos wie einen Sack geschultert, bei jedem Schritt drückte sie sich mit ihrem Eigengewicht seine Knochen in den Unterleib.
    «Lassen Sie mich los!», wollte sie rufen. Doch sie brachte nur ein klägliches Röcheln zustande. Schlaff warf sie ihre kraftlosen Fäuste gegen seinen Rücken. Wenn er es überhaupt bemerkte, dann ignorierte er es gekonnt. Wencke konzentrierte sich, der nächste Satz sollte verständlich sein: «Was wollen Sie eigentlich von mir?»
    «Sei still», stieß er hervor.
    «Sie tun mir weh! Ich bin schwanger, verdammt nochmal! Mein Bauch!»
    «Du sollst endlich still sein!», wiederholte er ruppig, ließ sie jedoch etwas hinuntergleiten, sodass ihr Bauch nicht mehr eingedrückt wurde.
    Wencke holte tief Luft. Was hatte er nur vor?
    «Hören Sie, Herr Pelikan, eigentlich war ich auf dem Weg zu Mattis. Er hat seinen großen Auftritt. Seine Mutter   – Nina – kann nicht kommen, niemand weiß, wo sie steckt. Wollen wir nicht gemeinsam   …?»
    «Wenn du nicht endlich die Klappe hältst, geschieht ein Unglück!»
    Es hatte keinen Sinn, auf ihn einzureden. Sie waren am Ende des gefliesten Ganges angelangt, und der Mann drückte mit dem freien Arm eine Metalltür auf. Dahinter lag ein Lagerraum, in dem es so intensiv nach Chlor roch, dass es Wencke den Atem verschlug. Sie erkannte etliche Utensilien, die man aus den Materialräumen der Bademeister im Freibad kannte: runde Netze mit langem Stil, Schwimmhilfen jeder Art, Bälle und Tauchringe, eine Vitrine, in der Behälter für Chemikalien zu erkennen waren. Wencke registrierte nur am Rande, dassdas Schloss des Glasschrankes kaputt und die Tür nur lose angelehnt war. Sie wurde hastig durch den Raum geschleppt, dann öffnete Pelikan eine weitere Tür, und sie befanden sich draußen, hinter der Klinik, umgeben von einem gemauerten Gang, weiter hinten führte eine Steintreppe nach oben.
    Ihr Blick fiel auf seine ausgebeulte Gesäßtasche. Wenn sie nicht alles täuschte, dann trug er dort sein Handy. Sie nutzte seine harten Schritte, um mit dem Arm nach und nach ein paar Zentimeter weiter nach unten zu gelangen. Die Hose saß locker, sie könnte ihm das Mobiltelefon mit etwas Glück unbemerkt herausziehen. «Sie tun mir weh», jammerte sie lauter als zuvor, dann trat sie ihm mit der Fußspitze gegen die Brust. Nicht heftig, dazu fehlte die Kraft, doch immerhin gewaltig genug, um im selben Moment das Telefon zu greifen. Auf den ersten Blick erkannte Wencke, dass es sich um ein altmodisches Modell handelte, welches sie vor Jahren einmal selbst benutzt hatte. Zum Glück, dann würde sie sich, wenn es darauf ankam, mit dem Ding zurechtfinden. Und sie war sich sicher, es würde schon bald darauf ankommen. «Verdammt nochmal, ich bin schwanger, Sie schaden meinem Kind!», schrie sie wieder und ließ das Telefon in die Innentasche ihrer Jeansjacke gleiten. «Wie

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