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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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auszuliefern, so konnte sie wenigstens sicher sein, für den Jungen das Beste getan zu haben. Und das würde auch Nina verstehen. Hoffentlich.
    «Ich habe die Schnauze voll», raunte Pelikan. Es war seit einigen Minuten der erste vollständige Satz aus seinem Mund. Fast tat es gut, dass er damit das nervtötende Gebrüll nach seiner Frau unterbrach. «Die ist hier nicht! Sie haben mich verarscht!»
    Sie stießen eine Tür zur Rechten auf. Dahinter, wie fast überall, ein ausgeräumtes Gästezimmer, bei dem man lediglich an den Druckstellen im Teppich sehen konnte, dass hier einmal ein Bett, ein Tisch und ein Schrank gestanden haben mochten. Die gegenüberliegende Wand bildete ein riesiges Fensterelement, eine Glastür führte auf einen Balkon, dessen Betonbalustrade vor sich hin bröckelte. In der gefliesten Zimmerecke ragten abmontierte Abflussrohre in den Raum, es roch nach Kanalisation. Am Fenster hing – nur noch von wenigen Ringen gehalten – eine scheußliche Gardine, die Heizung darunter kippte nach vorn, und ein rostiges Rohr hatte sich gelöst. Auf den ersten Blick war dieser Raum wie all die vielen anderen Räume, die sie betreten hatten. Wencke wollte sich umdrehen und gehen, zum nächsten Zimmer und zum übernächsten, wie viele auch immer es noch sein mochten. Doch Pelikan hielt sie fest. Er hatte seinen Kopf gereckt, und seine Nasenflügel bewegten sich leicht, sie zitterten, als habe er Witterung aufgenommen.
    «Sie war hier», sagte er dunkel. Er lief in die Mitte des Raumes. «Sie ist gerade erst gegangen.» Er ließ die erstarrte Wencke los, ging weiter und fuhr mit seiner Hand an der Wand entlang. Dann blieb er vor dem Fenster stehen, beugte sich herab, streichelte über den Teppichboden, auf dem Wencke trotz Entfernung kleine Flecken ausmachen konnte. «Der Boden ist noch warm. Hier hat sie gelegen.»
    Wencke rechnete mit allem. Dass er aufstand und brüllte wie ein Berserker, dass er wie ein Wahnsinniger losrannte und weitersuchte, so dicht auf der Spur. Doch damit, was Pelikan nun machte, hatte sie nicht gerechnet.
    Er legte sich auf den Boden, berührte mit der einen Wange den Teppich, atmete wie ein angeschossenes Tier in flachen, hastigen Zügen.
    Wencke war hin und her gerissen. Hier bleiben oder flüchten?Eigentlich sollte sie verschwinden. Sie hatte eine kleine Chance, so schnell würde Pelikan nicht auf den Beinen sein, sie könnte einen Vorsprung erzielen. Doch wie weit würden ihre Beine sie tragen, wie lang könnte sie die Schmerzen aushalten, und was würde er mit ihr anstellen, wenn er sie eingeholt hatte? Die Chance, Pelikan tatsächlich zu entrinnen, war zu klein und die Angst vor diesem unberechenbaren Mann zu groß. Wencke ging auf ihn zu. Er fuhr mit den Fingern über die Flecken auf dem Boden. Die Flüssigkeit in den Fasern musste frisch sein, er verteilte sie mit den Kuppen, zog Halbkreise in den Teppich. An seinen Fingernägeln konnte Wencke sehen, dass die Nässe rot war.
    «Blut?», fragte Wencke. Konnte es sein, dass Pelikan das Blut seiner Frau gerochen hatte? Es war ein widerlicher Gedanke. Wencke wurde übel, sie konnte den Blick auf Pelikan nicht mehr ertragen, sie wollte die roten Streifen, die er malte, nicht mehr sehen. Nina war die verletzte Beute und Pelikan der besessene Jäger. Sie schaute nach oben, bemerkte ebenfalls rote Flecken am scharfen Ende des vorstehenden Heizungsrohres, einige schwarze Haare klebten daran. Nina hatte schwarze Haare.
    «Sie hat mich betrogen!», jammerte Pelikan. Seine Stimme war mit einem Mal leise und wackelig. Wencke konnte zwar keine Träne auf seinem Gesicht erkennen, doch die Art, wie er sprach, machte klar, dass der große Mann dort am Boden nicht weit vom Weinen entfernt war. «Sie hat einen anderen Mann. Ich war ihr nicht mehr genug.»
    «Sie ist verletzt», sagte Wencke. «Es sieht so aus, als habe sie sich an der Heizung eine ziemlich heftige Kopfwunde zugelegt. Ich werde sie suchen.»
    «Ich habe ihre Akte gelesen», setzte er fort, als habe Wencke überhaupt nichts gesagt. «Jeden beschissenen Satz, den sie diesem Psychoheini erzählt hat, musste ich lesen. Ich hätte siefertig gemacht. Ich hätte sie zur Liebe gezwungen. Das hat sie alles erzählt. Sie können sich nicht vorstellen, wie mich das verletzt hat. Es hat mich zerrissen.»
    «Sie hätten es doch nicht lesen müssen!»
    Er setzte sich auf. «Nicht lesen müssen? Wie sollte ich dann jemals die Wahrheit erfahren? Wie sollte ich dann jemals verstehen, warum sie

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