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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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mich hintergangen hat, obwohl ich alles dafür getan habe, sie zufrieden zu stellen.» Er winselte.
    Wencke durchschaute sein Spiel. Er stellte sich klein und verletzlich, jammerte herum. Aber er war derselbe Berserker, der sie vor wenigen Minuten noch rücksichtslos durch die Klinikflure geschleppt hatte. Er war dasselbe Monster, das sie und ihr ungeborenes Kind in Gefahr gebracht hatte. Wencke würde nicht auf ihn hereinfallen. Sie war wütend auf ihn, sehr wütend, und all sein Theater konnte sie nicht davon abbringen, weiter wütend zu sein. «Hören Sie, Pelikan, ich werde jetzt gehen, und ich hoffe, Nina zu finden. Es ist ziemlich viel Blut da auf dem Boden. Ich mache mir Sorgen   …»
    Seine Hand schnellte nach vorn und umfasste ihre Fessel. Er zog ihr Bein in seine Richtung. «Gehen Sie nicht!», sagte er noch immer schwach. Es passte nicht zu der Kraft, die seine Hände an ihrem Bein ausübten, um sie am Gehen zu hindern. «Lassen Sie mich nicht allein! Ich kann es nicht ertragen, allein zu sein. Sie wollte mich verlassen, stellen Sie sich das vor! Meine Frau, meine Nina, sie wollte gehen, wollte flüchten   …»
    «Sie wird einen Grund dafür gehabt haben!»
    «Wie können Sie das sagen? Der Psychologe, dieser Ilja Vilhelm, er hat genauso dahergeredet. Hat sie bestärkt in ihren Fluchtplänen. Hat gesagt: Haben Sie keine Angst, Frauen können auch allein ihren Weg bestreiten. Hat gesagt: Schauen Sie sich Wencke Tydmers an, so stark können Sie auch werden.»
    «Nie im Leben hat er das gesagt   …»
    «Doch, weil er wusste, dass Nina zu Ihnen aufsieht und sofrei sein möchte wie Sie. Da hat er ihr versprochen, sie könnte so werden. Und deswegen ist meine Frau gegangen.»
    «Er ist Fachmann, er wird das Beste für Ihre Frau wollen   …»
    «Ach!», entfuhr es Pelikan abfällig. «Er hat ihre Schwäche ausgenutzt und sie dabei belogen. Hat ihr gesagt: so stark wie Wencke Tydmers   … dass ich nicht lache. Deswegen habe ich mir doch Ihre Akte vorgenommen und mir Ihren ganzen Scheiß durchgelesen, dass Sie sich nicht verzeihen können, Ihren Vater verpasst zu haben und das ganze Geheule. Weil ich wissen wollte, warum dauernd dieser Name auftaucht, welche Rolle diese Wencke Tydmers für meine Nina spielt   …» Jetzt lachte er, ohne dass man eine Spur Fröhlichkeit darin erkennen konnte. «Und es ist so jämmerlich, was ich gelesen habe   … Meine Frau hat sich ein Vorbild für Stärke gesucht, und was hat sie gefunden? Schauen Sie sich doch an   …»
    «Und was wollen Sie jetzt von mir?»
    «Wir müssen Nina finden, und dann sagen Sie ihr, dass alles eine Illusion ist. Dass Sie in Wahrheit eine ganz arme Person sind, die im Grunde einen Mann wie mich braucht. Einen, der stark ist und immer da ist, wenn man ihn braucht. Habe ich nicht Recht damit? Wünschen Sie sich nicht einen richtigen Kerl?» Während er die Sätze aneinander reihte, ohne Luft zu holen, sah er Wencke fast flehend an. Er lag vor ihr auf dem Boden und sprach davon, ein ganzer Kerl zu sein. Wenckes Körper krampfte sich wieder zusammen. Das Kind, dachte sie, ich werde mein Kind verlieren. Und dieser Mann vor meinen Füßen ist schuld daran.
    Und er hatte noch mehr getan: Die Sache mit dem fallenden Wacholderteufel, das Strichmännchen auf der Zeichnung mit dem Baum, wahrscheinlich steckte Pelikan auch hinter dem Zeitungsartikel, hinter den nächtlichen Schreckgespenstern unter Ninas Balkon, vielleicht auch hinter der Grabschändung.Er war ein Scheusal. Und er war gefährlich, wie viel er auch jammerte.
    «Ilja Vilhelm ist der Wacholderteufel. Und Sie hassen ihn. Ist er es, den Sie heute zum Fallen bringen wollen?»
    Pelikan lachte bitter. «Wer ist denn bislang am tiefsten gefallen? Das war doch wohl ich. Oder? Weil Nina mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Mit eurer Hilfe.»
    Wencke hatte nicht einen Funken Anteilnahme mehr an diesem Kerl mit seinem schmierigen Selbstmitleid. Hatte er mit irgendjemandem Mitgefühl gezeigt? Mit Mattis? Mit Nina? Mit dem Kind? O mein Gott, es tat so weh, das Kind   …
    «Ich kenne mich aus mit Chlor. Als Hausmeister hatte ich jahrelang mit dem Zeug zu tun, da ich mich um das Schulschwimmbad kümmerte. Das Öffnen von Tür- und Schrankschlössern beherrsche ich ebenfalls aus dem Effeff. In der Klinik war es ein Kinderspiel, den Schrank in der Badeabteilung zu knacken und das Chlor mitgehen zu lassen. Ich weiß genau, welche Menge gefährlich werden kann. Und dann noch mit dem Zeug der

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