Die Wacholderteufel
…»
«Ja, aber das habe ich nie so verstanden. Und wenn ich mich angestrengt habe, es ihm recht gemacht habe, dann konnte er auch ein ganz lieber Kerl sein. Schließlich hat er mir und Mattis damals auch ein Zuhause gegeben. Und er war kein schlechter Vater …»
«Nina, nun fängst du schon wieder an, ihn in Schutz zu nehmen. Ich habe ihn doch kennen gelernt. Die ganzen letzten Stunden – und es war wirklich nicht die angenehmste Zeit meines Lebens …»
«Ich weiß. Aber da war er wirklich außer sich, so habe ich ihn noch nie erlebt. Als er mich nicht auf dem Handy erreicht hat, muss er sehr verzweifelt …»
«Nina!», unterbrach Wencke scharf.
«Du hast Recht, er ist … ein Monster. Jetzt sehe ich das wieder klarer, mit dem Kind im Bauch …»
«Er weiß, dass es nicht seines ist.»
«Ja. Er ist impotent. Schon immer, seit wir uns kennen. Das war auch der Grund, weswegen ich ihn geheiratet habe. Ich dachte, von ihm ginge keine Gefahr aus. Aber ich habe mich geirrt. Es wurde genauso schlimm wie mit Ulrich. Wenn nicht sogar noch schlimmer. Weil Mattis da war und ich ihn zuerst schützen musste, war gar keine Energie mehr für mich selbst übrig.»
«Was hat dein Mann denn getan?»
«Er hat mich nicht schlafen lassen. Immer nur drei bis vier Stunden pro Nacht, und das seit vier Jahren, seitdem er seinen Job verloren hat. Und damit hat er mich kleingekriegt. So klein, im Grunde war nichts mehr von mir übrig.»
«Und dann hast du einen anderen getroffen? Den Vater deines zweiten Kindes?»
Nina wurde trotz der Kälte ein wenig rot, und sie blickte zu Boden. «Ja. Einen anderen. Einen völlig anderen Mann als alle, die ich zuvor hatte. Ich dachte immer, so einen Menschen gibt es in Wirklichkeit gar nicht.» Sie lächelte. «Ausgerechnet der Mann mit dem Rasenmäher. Der sein Meerschweinchen rasiert hat. Kannst du dich noch an die Geschichte erinnern? Ich habe ihn doch bei der Reklamation zusammengefaltet. Und dann tauchte er drei Tage später mit einem Blumenstrauß auf. Er möge starke Frauen wie mich, hat er gesagt. Ich habe ihn zwar aufgeklärt, dass ich mich für alles andere als stark halte, aber er wollte mich dennoch …»
Wencke musste trotz der gegenwärtigen Situation lächeln. «Ich mochte die Geschichte schon, als du sie mir erzählt hast. Aber das Happy End hättest du nicht unbedingt auslassen müssen.»
«Tolles Happy End!», seufzte Nina und schaute auf Hartmut hinunter. Dieses neue Glück musste für sie auch eine ungeheure Gefahr dargestellt haben. Sonst wäre es nicht so weit gekommen, dass sie vor ihrem Mann flüchtete, als handle es sich bei der neuen Liebe um ein Schwerverbrechen.
«Was ist denn nun in der Nacht geschehen, als dieser Stefan unter deinem Fenster stand?»
«Ich wusste auf einmal: Er ist da. Hartmut!»
«Hast du ihn gesehen?»
«Nein. Aber ich habe am Vormittag einen Anruf von meiner Frauenarztpraxis bekommen, sie sagten mir, mein Mann bringe mir die Pillen vorbei, die ich vergessen hatte. Da warmir klar, er würde früher oder später hier auftauchen. Nach meinem Gespräch mit Stefan hatte ich dann so eine Intuition. Du wirst mich bestimmt deswegen auslachen …»
Wencke unterbrach: «O nein, mit Intuitionen kenne ich mich bestens aus!»
«Ja?» Nina lächelte kurz. «Dann weißt du, was ich meine. Es lag etwas in der Luft. Ob ich ein Geräusch gehört habe oder vielleicht seinen Geruch in der Nase hatte, das kann ich nicht sagen, aber auf einmal war ich mir sicher: Hartmut hat mich die ganze Zeit beobachtet, ich bin in Gefahr. Und ich war doch ohnehin schon so nervös wegen dieses Zeitungsausschnitts …»
«Da müsste er aber schon früher da gewesen sein, wenn er dir den Zettel in die Tasche gesteckt haben soll …» Wencke verkniff sich die Andeutung, dass man keine fremden Fingerabdrücke auf dem Papier gefunden hatte, schließlich wollte sie Nina nicht beunruhigen, weil sie – rein intuitiv – unbefugt polizeiliche Maßnahmen eingeleitet hatte.
«Den hat mir niemand in die Tasche gesteckt. Ich habe die alte Wochenendzeitung im Warteraum der Massageabteilung gefunden und durchgelesen. Und weil ich gerade eben den Anruf von meinem Frauenarzt bekommen hatte und so verzweifelt war vor Angst, da habe ich den Artikel aufgehoben. Ich habe gedacht: Diese Frau an den Externsteinen war wahrscheinlich genauso am Ende wie ich.»
«Also wolltest du dir auch das Leben nehmen?»
«Nein. Nicht wirklich. Gut, ich habe darüber
Weitere Kostenlose Bücher