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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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lange kein Gefühl mehr. Sie hatte sie vom Lindenberg aus beobachtet und wusste, dass sie hinter ihr her waren. Sie war die Beute. Sie war schon die ganze Zeit die Beute gewesen, aber nun wollte man sie endgültig einfangen und … sie wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Warum rannte sie eigentlich? Wo sollte sie hin? Die Insel war von Wasser umgeben.
    Aus der offenen Wunde zwischen ihren Beinen rann Blut, und jedes Mal, wenn sie stehenblieb, fühlte sie sich schwächer, als würde ihre Lebenskraft aus ihr herausrinnen und in der unfruchtbaren Erde von Klöverö versickern. Obwohl sie Bäche und Sümpfe überquert hatte, würden die Hunde sie mit Leichtigkeit aufspüren.
    Sie zwang sich, den eingewickelten Jungen anzusehen, den sie mit sich herumtrug. Seine Augen waren geschlossen, und das Gesicht sah so friedlich aus, als schliefe er. Ohne ihn wäre sie schneller vorangekommen, aber sie konnte den kleinen Körper nicht ablegen. Mühsam stand sie auf und ging weiter, bis sie auf der Spitze desLindenbergs stand. Von hier stürzte der hohe Berg steil hinunter in die Schnauzenbucht. Dort unten glitzerte das dunkle Wasser, der Wind blies in ihr langes Haar. Ein einziger Schritt, und es wäre vorbei gewesen. Dann hob sie den Kopf und ließ ihren Blick ein letztes Mal über die verfluchte Insel und das Wasser schweifen. Da sah sie das Schiff im Hafen, das große Schiff mit der stolzen Flagge, de vlag von Oranje. War das möglich? Sie schloss die Augen und wurde aufgrund der Müdigkeit und des hohen Blutverlusts beinahe ohnmächtig. Als sie die Augen wieder öffnete, konnte sie das Schiff nicht mehr sehen. War es nicht eben noch da gewesen? Oder hatte sie es sich nur eingebildet? Den Brief an die Königin hatte sie doch abgeschickt. War er angekommen, wollten sie sie jetzt holen? Sie lebte ja noch, wenn auch nur mit Müh und Not. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich ihr Haus vorstellen. Den Vorhang im Salon, die hübsche Vase, in der immer schöne Blumen standen und einen wunderbaren Duft verbreiteten. Sie sank zu Boden und stand wieder auf. Ihre Oberschenkel klebten aneinander. Endlich würde sie nach Hause kommen. Zurück zu ihrem Garten, dem Pfirsichbaum und Hendriks und ihrem Haus. Sie wich vor dem Abgrund zurück und blickte sich um. Plötzlich hörte sie wieder das Kläffen, es war näher gekommen. Meistens waren Daniel Jacobssons Hunde angekettet und bewachten das Haus. Man wollte sie einfangen, weil die Holländer kamen. Bald würden sie auch auf Klöverö nach ihr suchen. Am liebsten wollte sie laut schreien. »Hier ben ik, kom mij halen!« Hier bin ich! Kommt mich holen!
    Sie musste sich verstecken, aber wo? Denn da war doch eben noch ein Schiff gewesen, da war sie sich ganz sicher.
    Das Hundegebell erweckte in ihr Kampfeslust. Jetzt und hier würde sie sich nicht einfangen lassen, nicht, wenn die Rettung so nah war. Niemals. Sie versuchte,die Nachwehen und die Schmerzen in ihrem Unterleib zu ignorieren, und zwang sich, aufzustehen und einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nun sah sie wieder die Männer am Fuß des Lindenbergs. Aleida eilte zum schützenden Waldrand und humpelte weiter über das Torfmoos, ohne die Nadeln und Zweige zu spüren, die in die offenen Wunden an ihren Füßen eindrangen. Der Anblick des Schiffes hatte ihr neue Kraft verliehen. Sie rannte noch schneller. Fast konnte sie den herrlichen Geschmack und die Süße der Pfirsiche schmecken, als sie den steilen Abhang des Lindenbergs hinunter und zu den Weiden beim Alten Moor und der Landzunge Korsvike raste. Aleida sah weder den Mann, der hinter ihr auftauchte, noch das Senkblei, das er mit voller Wucht auf ihren Schädel prallen ließ. Ihr Körper sank zu Boden und blieb im Moor liegen. In den Armen hielt sie noch immer den kleinen Jungen.

27
    Auf halbem Weg zum Bremsegård traf Karin auf Robert. Selig lächelnd kam er anspaziert.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragte Karin.
    »Gut.«
    »Du solltest dich mal sehen. Liegt das an der hübschen Mama?«
    »Hör auf.«
    »Glaub mir, wenn Sofia dich so zu Gesicht bekäme, würde sie dir einen Tritt vors Schienbein versetzen.«
    »Man hat es nicht leicht als alleinerziehende Mutter, wenn der eigene Sohn als Teenager in Schwierigkeiten gerät. Der Junge ist in Ordnung.«
    »In Ordnung, weil er nichts mit der Sache zu tun hat, oder in Ordnung, weil seine Mutter so hübsch ist?«
    »Sei ein bisschen nachsichtig mit mir. Ich habe mit Rickard gesprochen, was nicht einfach war, weil er unter

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