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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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sprach er mühsam – »sei erfüllt ... ich flu– ich verfluch–«
    Er konnte nicht weiter reden und sank in die Kissen zurück.
    Mittlerweile war Bresser herbeigekommen und gab auf unser ängstliches Fragen Bescheid:
    Ein Herzkrampf hatte meinen Vater getötet. –
    »Das Fürchterlichste ist,« sagte Tante Marie, nachdem wir ihn begraben, daß er mit einem Fluch auf den Lippen verschied.«
    »Laß das gut sein, Tante,« beruhigte ich sie. » Wenn dieser Fluch erst von aller – aller Lippen fiele, so wäre das der Menschheit größter Segen.«
    * * *
    Das war die Cholerawoche von Grumitz! In einem Zeitraum von sieben Tagen zehn Bewohner des Schlosses dahingerafft: Mein Vater, Lilli, Rosa, Otto, meine Jungfer Netti, die Köchin, der Kutscher und zwei Stalljungen. Im Dorfe starben in derselben Zeit über achtzig Personen.
    Wenn man das so trocken hersagt, klingt es wie eine beachtenswerte statistische Notiz; wenn es in einem erzählenden Buche steht – wie ein übertreibendes Phantasiespiel des Autors. Aber es ist weder so trocken wie das eine, noch so schauerromantisch wie das andere, es ist kalte, greifbare, trauerreiche Wirklichkeit.
    Nicht Grumitz allein war in unserer Gegend so hart mitgenommen worden. Wer in den Annalen der nachbarlichen Ortschaften und Schlösser nachblättern will, könnte daselbst viele ähnliche Fälle von Massenunglück finden. Da ist zum Beispiel – in der Nähe des Städtchens Hörn – das Schloß Stockern. Von der Familie, die es bewohnte, sind in der Zeit vom 9. bis 13. August 1866, gleichfalls nach Abmarsch der preußischen Einquartierung, vier Mitglieder – der zwanzigjährige Rudolf, dessen Schwestern Emilie und Bertha, Onkel Candid – und außerdem fünf Personen Dienerschaft – der Seuche erlegen. Die jüngste Tochter, Pauline von Engelshofen, blieb verschont. Dieselbe hat sich in der Folge mit einem Baron Suttner vermählt – auch sie erzählt heute noch mit Schaudern von der Cholerawoche in Stockern.
    Es war damals eine solche Trauer- und Sterberesignation über mich gekommen, daß ich stündlich erwartete, der Tod – in dessen Zeichen das Land seit zwei Monaten stand – werde nun mich selber und meine anderen dahinraffen. Mein Friedrich – mein Rudolf: ich beweinte sie schon im voraus.– Bei alledem, mitten in meinem Harme, hatte ich doch süße Augenblicke. Das war, wenn ich an meines Gatten Brust gelehnt, von ihm liebend umschlungen, mein Leid an seinem treuen Herzen ausweinen durfte. Wie sanft er da – nicht Trost-, aber Worte des Mitschmerzes und der Liebe zu mir sprach, es wurde mir dabei so warm und weit ums eigne Herz ... Nein, die Welt ist nicht so schlecht – mußte ich unwillkürlich denken – die Welt ist nicht ganz Jammer und Grausamkeit: es lebt in ihr das Mitleid und die Liebe ... freilich erst in einzelnen Seelen, nicht als allgültiges Gesetz und als obwaltender Normalzustand – aber doch vorhanden; und so wie diese Regungen uns zwei durchglühen, mit ihrer milden Rührung selbst diese Schmerzenszeit versüßend – so wie sie noch in vielen anderen, ja in den meisten Seelen wohnen, so werden sie einst zum Durchbruch gelangen und das allgemeine Verlangen der Menschenfamilie beherrschen: die Zukunft gehört der Güte.
    Wir verbrachten den Rest des Sommers in der Nähe von Genf. Es war Doktor Bressers Überredungskunst doch gelungen, uns zur Flucht aus der verseuchten Gegend zu bewegen. Anfangs sträubte ich mich dagegen, die Gräber der Meinen so rasch zu verlassen und war überhaupt, wie gesagt, von solcher Todesergebung erfüllt, daß ich ganz apathisch geworden und jeden Fluchtversuch für unnütz hielt; – aber schließlich mußte Bresser dennoch siegen, als er mir vorhielt, daß es meine Mutterpflicht sei, den kleinen Rudolf so gut wie möglich der Gefahr zu entreißen.
    Daß wir als Zufluchtsort die Schweiz gewählt, geschah auf Friedrichs Wunsch. Er wollte sich mit den Männern bekannt machen, welche das »Rote Kreuz« ins Leben gerufen und an Ort und Stelle über den Verlauf der stattgehabten Konferenzen, sowie über die weiteren Ziele der Konvention sich unterrichten.
    Seinen Abschied vom Militärdienst hatte Friedrich eingereicht, und vorläufig, bis zur Erledigung des Gesuches, einen halbjährigen Urlaub erhalte. Ich war nun reich geworden, sehr reich. Der Tod meines Vaters und meiner drei Geschwister hatte mich in den Besitz von Grumitz und des sämtlichen Familienvermögens gesetzt.
    »Sieh her,« sagte ich zu Friedrich, als mir

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