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Die wahre Koenigin

Titel: Die wahre Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Langan
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blickte verstohlen zu dem schönen Wesen an seiner Seite. Mit seinen zehn Jahren war er schon genauso groß wie Lady Meredith. Und er war ganz bestimmt stärker als sie, wie ihm ein einziger abschätzender Blick auf die zarte Frauenhand bestätigte. Stark genug, um Meredith MacAlpin zu beschützen.
    Seit ihrer Ankunft beschäftigte die schöne Gefangene Jamies Fantasie. Sie war besonders schweigsam an diesem Morgen, aber auch vorher hatte sie nur wenig gesprochen. Trotzdem hatte Merediths Stimme sich dem Jungen tief eingeprägt. Eine ungewöhnliche Stimme war es, tiefer als die der meisten Frauen. Und wohlklingend weich. Warm und zart, so als sänge sie ein Wiegenlied. So stellte Jamie sich die Stimme seiner Mutter vor. Seine Mutter, an die er sich nicht erinnerte.
    Meredith fühlte nicht nur Jamies Unruhe, sie spürte auch seine geheimen Blicke. Sie wandte den Kopf und lächelte ihm zu, und er erwiderte ihr Lächeln. Dann wurde er rot und drehte sich schnell weg.
    Jamie war es gleichgültig, was die anderen über die fremde Lady tuschelten. Für ihn stand fest, dass sie niemals einem Kerl wie Holden schöne Augen machen würde. Für Jamie verkörperte Meredith MacAlpin alles, was gut und edel und schön war.
    Nach Beendigung des Mahls ließ Meredith sich von Brice durch ein Labyrinth dunkler Korridore zu den Wirtschaftsräumen führen. In der riesigen Küche hing das duftende Aroma frisch gebackenen Brots. Über der Holzkohleglut röstete ein junges Reh am Spieß, die Mahlzeit für den Abend. Küchenmägde liefen geschäftig hin und her. Einige trugen Wassereimer herein, andere schrubbten die Holztische oder Steinfliesen, und wieder andere kneteten Teig, putzten Gemüse, rupften Geflügel oder scheuerten die eisernen Töpfe und Pfannen.
    „Mistress Snow! “, rief Brice.
    Eine kleine dünne Frau blickte von einem bemehlten Brett auf, auf dem sie Teig zu Pastetenböden ausrollte. Hastig wischte sie die Hände an ihrer Schürze ab und stürzte in Richtung Tür. Sie konnte sich nicht erinnern, den Lord je in den Küchenräumen gesehen zu haben.
    Schon gar nicht in weiblicher Begleitung. Mistress Snow fuhr sich rasch durch das dunkle, straff nach hinten geflochtene Haar, während sie auf Lord Campbell und die schöne Fremde zuging. Ihre hübschen blauen Augen blitzten fröhlich auf, und sie lachte. Wer hätte sich träumen lassen, dass eine feine Lady einmal ihr bestes Sonntagskleid tragen würde!
    „Lady Meredith MacAlpin möchte sich für das Kleid bedanken.“
    Mistress Snow knickste. „Es kleidet Euch viel besser als mich, Mylady.“
    Brice musterte Meredith, während sie mit der jungen Frau sprach. In der Tat sah sie in Mistress Snows Kleid hinreißend aus. Viel eindrucksvoller aber fand Brice die Art, wie Meredith seiner Bediensteten gegenübertrat. Mit herzlichem Lächeln ergriff sie Mistress Snows teigverklebte Hand. „Es war sehr freundlich von Euch, mir mit Eurem Kleid auszuhelfen. Sobald ich kann, werde ich mich erkenntlich zeigen. “
    „Das erwarte ich nicht, Mylady. Für mich ist es Belohnung genug, dass mein schlichtes Kleid Euch gefällt.“
    „So etwas Hübsches gefällt jeder Frau. Ihr habt mir einen großen Gefallen getan, Mistress Snow. Ich bin Euch sehr dankbar.“
    Brice trat beiseite, während die beiden Frauen sich unterhielten. Er stellte fest, dass der gesamte Küchenstab zu ihnen hinüberstarrte und das Gespräch mit anhörte. Und er bemerkte die überraschten Mienen, das leise Getuschel, die freundlichen Blicke, und er begriff. Es war eine Seltenheit, dass eine Dame von Stand sich die Zeit nahm, einer Magd für etwas zu danken.
    Brice nickte den Leuten zu, bevor er und Meredith aus der Küche und über die langen düsteren Flure zurückgingen. Plötzlich tauchte aus einem dunklen Winkel ein Schatten auf.
    Brice umklammerte seinen Dolch, und Meredith griff sich, von Panik erfasst, an die Kehle.
    Angus Gordon trat aus dem Schatten und legte Meredith besänftigend die Hand auf den Arm. „Verzeiht, Mylady.“ Angus’ Gesicht war scharlachrot. „Verzeiht, wenn ich Euch an diesem Ort und in so unziemlicher Weise auflauere. Aber ich muss Euch um Vergebung bitten. Durch meine Schuld musstet Ihr die schrecklichsten Qualen erleiden. Ich habe meinen Posten verlassen und meine Pflicht sträflich verletzt. Vergebt mir, Mylady, ich schäme mich zutiefst.“
    Die bitteren Selbstvorwürfe des jungen Mannes rührten Meredith. Angus war sichtlich niedergeschmettert, und fast hätte sie Mitleid mit ihm

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