Die wahre Koenigin
drohte auch Jamie. Tränenüberströmt stürzte er sich auf Meredith, stieß sie zu Boden und presste ihr die Hand an die Kehle. Sein junges Gesicht war eine hassverzerrte Maske. „Genügt es Euch nicht, dass die MacKenzies ihn getötet haben?“, schluchzte er, „musstet Ihr auch noch einmal zustoßen und Euch an seinem Tod weiden?“
„Jamie, hör mir zu ...“ Meredith versuchte, sich aufzurichten, doch mit einem wütenden Aufschrei zwang Jamie sie nieder und umklammerte im Würgegriff ihre Kehle.
„Ich weiß, dass Brice Eure Entführung nicht geplant hatte. Und ich habe mit eigenen Ohren gehört, dass es ihm leidtat und er es wiedergutmachen wollte. Brice hat Euch in seine Obhut genommen und beschützt, und Ihr, wie dankt Ihr es ihm? Oh, wie könnt Ihr nur ...! “
Wieder versuchte Meredith, sich gegen Jamies Attacke zu wehren, aber der Junge war erstaunlich stark.
„Lass sie los, Junge! “ Angus humpelte durch den Raum und fasste Jamie bei der Schulter. „Du hast nicht die Nerven zum Töten. Und dann noch eine Frau. Lass mich das erledigen! “ „Ihr ... Ihr versteht nicht“, stieß Meredith keuchend hervor, nachdem Angus den Jungen zurückgerissen hatte. Sie rang nach Atem. „Brice ist nicht tot. Als ich seine Wunden reinigte, entdeckte ich diesen Dolch.“
„Oh ja. Statt ihn fortzuwerfen, habt Ihr es vorgezogen, ihn Brice in den Rücken zu stoßen. Was für eine heldenhafte Tat! “ Angus hob das Schwert und richtete die Spitze auf Merediths Herz.
Jamie indessen betrachtete die leblose Gestalt neben sich. Dann wanderte sein Blick zu Meredith. Seine Miene drückte nicht mehr Hass und Wut, sondern Zweifel aus. „Könnte es nicht sein, dass sie die Wahrheit sagt, Angus?“
„Wenn man sein Leben retten will, fallen einem tausend Wahrheiten ein“, höhnte Angus.
„Warum überzeugt Ihr Euch nicht selbst, wenn Ihr mir nicht glaubt?“
Angus achtete nicht auf Merediths Worte. Kurz bevor er zum tödlichen Streich ausholte, fiel Jamie neben Brice auf die Knie und strich verwundert über die Verbände an seiner
Brust und Schulter. Niemand anders als Meredith konnte sie angelegt haben.
Jamies Zweifel wuchsen. Und nun entdeckte er den sprudelnden Blutstrom, der Brice den Rücken hinabrann. „Sie sagt die Wahrheit“, flüsterte er.
„Was?“ Angus ließ das Schwert sinken und kniete sich neben die reglose Gestalt seines Freundes. Auch er bemerkte nun, was er in seiner ohnmächtigen Trauer und Wut übersehen hatte. Die Verbände, den Wasserkessel, die blutigen Leinenstreifen. „Das ... das ist unmöglich“, murmelte er. „Brice am Leben? Ich habe doch selbst gehört, wie Gareth MacKenzie lauthals seinen Tod verkündet hat. “
„Und ich war Zeugin, wie er und seine Männer ihn niedermachten. Aber er ist nicht tot. Hier, Ihr könnt es fühlen. Sein Pulsschlag. Schwach, aber ein sicheres Zeichen, dass noch Leben in ihm ist.“
Meredith legte die Finger auf die unsichtbar pulsierende Lebensader, und Angus folgte ihrem Beispiel. Sekundenlang spürte er dem feinen Pochen unter seinen Fingerkuppen nach.
Dann blickte er schuldbewusst zu der Frau hin, die noch immer den Dolch in der Hand hielt. „Vergebt mir, Mylady“, sagte er, „ich dachte ...“
„Das ist jetzt nicht wichtig“, unterbrach Meredith ihn. „Jetzt müssen wir für Brice da sein. Wenn es uns nicht gelingt, das Blut zu stillen, wird Gareth MacKenzies Todesbotschaft doch noch wahr. “
„Sagt mir, was ich tun muss.“
„Holt die Knechte und Mägde. Schnell!“
„Ja, Mylady.“
„Lasst mich gehen, Angus“, erbot sich Jamie. „Ihr seid nicht kräftig genug. “
Angus nickte, und Jamie rannte hinaus, sichtlich erleichtert, dass er sich nützlich machen konnte.
Jamie kam wenig später mit einigen rußgeschwärzten Gestalten zurück. Darunter waren Cara und Mistress Snow. Meredith traten Freudentränen in die Augen, als sie die beiden gesund und unversehrt wiedersah. „Was ist mit den anderen Frauen und mit den Kindern?“
„Sie sind alle wohlauf, Mylady“, versicherte Cara ihr. „Gareth MacKenzie geriet so in Wut, als er Euch nicht bei uns fand, dass er nicht einmal seine Drohung, uns foltern zu lassen, wahr machte. Völlig kopflos rannte er wieder nach oben.“ Meredith nickte abwesend, denn ihr Blick fiel jetzt auf Mistress Snow. Der Rock ihres Kleides war verkohlt. Sie hatte eine Schürfwunde an der Stirn, und ihre Hände waren mit Brandblasen übersät.
„Ist das Feuer eingedämmt, Mistress Snow?“
„Ja,
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