Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
faulige Atem eines Mannes über ihr Gesicht, der sich über sie beugte. »Hoch mit dir«, raunte er. Während Mina schwankend aufstand, löste sich der Traum in der Realität auf wie ein Tropfen Tinte in einem Wasserglas. »Da lang«, sagte der Fremde und schob sie mithilfe des Pistolenlaufs vor sich her.
Der Teppich unter ihren Füßen fühlte sich warm und nass an. Gompers’ massige Silhouette lag schlaff auf dem Boden, sein Kopf inmitten einer Blutlache. Aus der Ecke löste sich ein Schatten. Es waren also zwei Männer.
Minas Kopf fühlte sich mit einem Mal federleicht an, fast wie ein Ballon, der an der Schnur hing. Vor vier Jahren hatte sie gelernt, zwischen Panik und Furcht zu unterscheiden. Panik war die Vorahnung einer Katastrophe, Furcht verkündete deren Eintreffen. Die Furcht, die sie jetzt spürte, verlieh ihren Schritten Festigkeit und presste das Blut durch ihre Adern, während die Pistole sie in den Korridor dirigierte. Mit einem Mal spürte Mina, wie sich alle ihre Sinne schärften. Der Geruch nach ranzigen Kerzen und schimmeligem Stroh entstieg der Kleidung ihres Entführers.
Eine halbe Sekunde, ehe sie hörte, dass Phin durch die Dunkelheit auf sie zugelaufen kam, erahnte sie ihn.
Die Wucht des Zusammenpralls mit seinem Körper schleuderte sie gegen die Wand. Unsanft landete sie auf den Knien. Ein Schuss zerriss die Luft, dann waren kurze, dumpfe Schläge zu hören. Ein erstickter Fluch, gefolgt von einem Schrei. Bei dem satten, zermalmenden Geräusch, das folgte, drehte sich ihr der Magen um, ehe ihr Verstand in der Lage war, es einzuordnen. Haare streiften ihren Knöchel. Der zu Boden gehende Körper ließ sie zurückschrecken, ehe sie auf alle viere kam.
An der gegenüberliegenden Wand kämpften zwei Männer. Wenngleich die Dunkelheit es fast unmöglich machte, Einzelheiten zu erkennen, war klar, dass es sich um einen erbarmungslosen Kampf handelte. Als Minas Augen sich ein wenig an die Finsternis gewöhnt hatten, sah sie eine Hand, die darum rang, die Kontrolle über eine Waffe zu bekommen.
Im selben Augenblick ertönte eine ohrenbetäubende Explosion, und sie hörte, wie etwas zischend an ihrem Ohr vorbeiflog. Geistesgegenwärtig warf sie sich zur Seite, ehe die Kugel in der Wand hinter ihr einschlug und Putz auf sie herabregnete. Ihr Blick fiel auf Phins große Statur. Sie hielt den Atem an, das Denken fiel ihr schwer. Keine Rede davon, einzugreifen. Phin hatte seinen Gegner an die Wand gedrückt, sodass sie ohnehin nicht an ihn herankam.
Als Phin eine jähe Bewegung ausführte, hatte es den Anschein, als würde der andere Mann sich von der Wand abstoßen, doch nur, um plötzlich zurückzutaumeln. Phin wirbelte ihn herum, sodass er mit dem Rücken gegen die Wand prallte. Polternd fiel die Waffe auf den Boden.
Mina merkte, wie töricht sie war. Es bestand keine Notwendigkeit für sie zu helfen
Doch die Waffe zog sie wie magisch an. Stück für Stück robbte sie voran, während Phin den Ellbogen hob und ihn dem Eindringling ins Gesicht rammte. Da ihn das ekelhafte Knacken nicht zu befriedigen schien, riss er zusätzlich das Knie in die Höhe, sodass der Mann wie eine Stoffpuppe in der Mitte zusammenklappte.
Minas Finger wickelten sich um den Pistolenkolben. »Ich habe sie«, keuchte sie.
Phin schien sie nicht zu hören. Er drückte den Mann an sich, als wollte er eine Persiflage auf die Umarmung von Liebenden zum Besten geben. Ein pfeifendes Geräusch erfüllte die Luft. Er war dabei, dem Mann die Kehle zu zerdrücken.
»Ich habe sie!« Warum sprach sie überhaupt? Ihre Stimme klang grotesk, zu unbeholfen und rau angesichts der Brisanz der Situation. Wortlos einen Mord zu begehen …
Phin bekam die Haare des Mannes zu fassen und brach ihm mit einem kräftigen Ruck das Genick.
Minas Finger, die noch immer die Pistole hielten, erschlafften.
Stille.
Ihre Knie gaben nach. Sie sank auf den weichen Seidenteppich.
Trotz der Dunkelheit um sie herum erkannte sie, wie seine Augen aufblitzten, als würde er sie ansehen. Er hielt den Toten noch immer fest an sich gedrückt.
Es war so still, dass sie ihren Atem überlaut wahrnahm. »Ich habe sie«, flüsterte sie noch einmal.
Phin ließ mit einer fast elegant wirkenden Geste, die er genauso gut in eine angeregte Unterhaltung hätte einbinden können, von der Leiche ab. Der Tote schlug auf dem Fußboden auf.
»Hast du dich verletzt?«
Seine Stimme klang eigenartig. Farblos.
»Mina.« Sein Ton gewann an Schärfe. »Sprich mit mir. Bist
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