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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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vor den Altar zu führen.
    Einen Moment lang lächelte sie ihn höflich an, ehe ihr Blick an ihm vorbei zur Kutsche glitt. Als sie dann wieder ihn ansah, schlug sie sich die Hand vor den Mund. »Phin!«
    »Miss Sheldrake.« Da die Tochter des Hauses keinen Ehering trug, war er sich zumindest sicher, wie er sie anzureden hatte. Aber da hörte es auch schon auf.
    Doch ihm blieb keine Zeit zum Nachdenken, denn Laura wartete keine weiteren Formalitäten ab, sondern packte ihn am Arm und zog ihn ins Haus. Der Duft nach frisch gebackenem Brot und Rosmarin erfüllte die Luft. Es war Phin nie gelungen herauszufinden, auf welcher Seite Laura im Krieg um die Vorhänge stand. Diplomatisch wie sie war, hatte sie stets ihre Neutralität gewahrt. Vielleicht war sie es, die, ihrem Vater zu Ehren, die Vorhänge geöffnet hatte. »Phin, ich kann gar nicht glauben, dass du das bist. Aber …« Der freudige Ton wich aus ihrer Stimme. »Oh – du hast davon gehört, nicht wahr?«
    Phin setzte den Hut ab. Nach einem Haken für die Kopfbedeckung zu suchen, war nicht nötig. Dies war das einzige Haus in der ganzen Welt, in dem er mit verbunden Augen wusste, wo er seinen Hut ablegen konnte. Welch ein eigentümlicher Gedanke. »Ja«, sagte er. »Es tut mir unendlich leid. Ich habe es erst gestern in der Zeitung gelesen, sonst wäre ich schon früher gekommen.« Wozu diese Beteuerung gut sein sollte, war ihm schleierhaft. Ich wäre nicht gekommen, solange er noch lebte, aber im Augenblick seines Todes wäre ich herbeigeeilt, wenn ich nur davon gewusst hätte . Das musste in ihren Ohren ungemein tröstend klingen.
    Doch die Bemerkung schien sie nicht weiter zu stören. »Es kam alles so plötzlich«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ein Hirnschlag, sagen die Ärzte. Zum Glück passierte es im Schlaf. Der Gedanke, dass er nicht wach war, als es passierte, ist mir ein Trost.«
    »Ja. Natürlich«, sagte Phin, wenngleich ihn die Erfahrung gelehrt hatte, dass Menschen in dieser Situation sehr wohl noch einmal aufwachten.
    Der Gedanke hinterließ einen bitteren Geschmack in seinem Mund. Er durchlebte einen Moment ungezügelter Wut auf seinen rebellischen Verstand, auf die Erfahrungen, die sich im Laufe der Zeit in sein Bewusstsein eingebrannt hatten. Sein Körper hatte ihn geweckt, seine Freunde anzugreifen, und sein Verstand verhöhnte die Hoffnungen einer jungen Frau, indem es ihm die garstige Wahrheit zuraunte. Nein, er wollte Derartiges hier und jetzt nicht denken – es käme zu sehr einer Entweihung gleich.
    Laura sah ihn erwartungsvoll an. In ihren braunen Augen schimmerte eine Vertrautheit, von der er nicht wusste, wie er damit umgehen sollte. Wäre er damals geblieben und hätte einen anderen Weg gewählt, hätten sie heute vielleicht gemeinsame Kinder. Sich mit diesem Gedanken selbst zu schmeicheln, lag ihm fern. Er wusste, dass Laura immer eine große Zuneigung für ihn gehegt hatte. Nur zu gern hätte er sie glücklich gemacht – und das nur zum Teil deshalb, weil ihr Vater dadurch auch zu seinem geworden wäre. Er sollte jetzt etwas anderes als diese Starrheit empfinden; er sollte etwas Mitfühlendes sagen.
    Doch zurzeit fiel ihm belangloser Small Talk noch schwer, er musste sich erst noch einen Schatz akzeptabler Anekdoten zulegen. Er räusperte sich und nahm Zuflucht bei der Etikette. »Ihr Verlust betrübt mich zutiefst, Miss Sheldrake. Ich bin gekommen, um Ihnen mein Beileid auszusprechen. Ihnen und Ihrer …« Ihm ging auf, dass er nicht einmal wusste, ob Mrs Sheldrake überhaupt noch lebte.
    Die Erkenntnis, dass er nichts, aber auch rein gar nichts über die Sheldrakes wusste, traf ihn wie der Blitz. In Anbetracht dessen war es keinen Schilling wert, dass er wusste, wo er seinen Hut hinhängen konnte.
    »Mutter«, beendete Laura seinen Satz und lächelte, als hätte sie seine Angst erkannt und wäre zugleich ein wenig stolz darauf, sie ihm nehmen zu können. Sie hatte schon immer ein gütiges Naturell bewiesen, schon als junges Mädchen. Aber sie neigte auch zur Naivität und täte besser daran, Fremden nicht einfach die Tür zu öffnen. Für einen Missetäter wäre es ein Leichtes, sie am Hals zu packen und ins Innere des Hauses zu drängen, wo sie keiner sah. Hinzu kam, dass es hier in der Diele nichts gab, mit dem sie sich würde verteidigen können. Sie konnte getötet werden, genau hier, binnen weniger Augenblicke.
    Gütiger Gott, er war schlicht und ergreifend unbrauchbar für die normale Gesellschaft.
    Laura redete

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