Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
Mal gekommen sind. Und niemand begibt sich daran, es herauszufinden. Ich kann Ihnen sagen, dass ich schon so manches Mal eine wahrhaftige Verschwörung um diesen Gentleman namens Anonymus vermutet habe. Wer war er wirklich? Warum diese elendige Geheimniskrämerei?« Naserümpfend richtet sie sich das Schultertuch. »Manchmal glaube ich, dass er gar nicht wirklich existiert. Stellen Sie sich einmal vor, was geschehen würde, wenn wir herausfänden, dass wir verleitet wurden, den Worten eines dahergelaufenen Scharlatans Glauben zu schenken. Es ist an der Zeit, dass sich jemand endlich mal die Mühe macht, all diesen anonymen Sprichwörtern auf den Grund zu gehen. Wäre das nicht eine Aufgabe, die Ihnen gut zu Gesicht stünde? Ich kann mich daran erinnern, dass Sie meinten, Sie besäßen die Gabe, an geheime Informationen zu gelangen.«
Ashmores Gesicht nahm schlagartig einen nichtssagenden Ausdruck an. »Jetzt kommen wir langsam ans Eingemachte.«
»Wo kommen wir hin?« Sie blickte zum Fenster hinaus. »Ich sehe nichts als Nebel.«
»Ridland glaubt, Sie seien im Besitz von Informationen, die bei der Suche nach Collins hilfreich sein könnten.« Als Mina sich wieder umdrehte, musterte er sie mit kritischem Blick. »Er sagte etwas, das ich sehr eigentümlich fand: Sie würden diese Informationen nur an mich weitergeben. Ist das so?«
Ridland hatte sie missverstanden. Sie hatte niemals versprochen, irgendwelche Informationen preiszugeben. Einzig unter der Voraussetzung, dass Ashmore sich als vertrauenswürdig bewies, war sie bereit, ihre Haltung noch einmal zu überdenken. »Nun, ich dachte, Sie würden mir helfen.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Hin und wieder lässt mich mein Erinnerungsvermögen ebenfalls im Stich«, sagte sie. »Aber ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass – bitte verzeihen Sie mir, falls ich mich irre – ich Ihnen einen lebenswichtigen Gefallen in Hongkong getan habe.«
»Mit Ihrem Gedächtnis scheint alles in Ordnung zu sein.« Er hielt inne. »Sie haben mir in der Tat einen Gefallen erwiesen. Aber ich glaube auch, mich zu erinnern, dass Sie es aus freien Stücken taten. Darf ich so kühn sein, Ihnen einen Rat zu geben? Sie sollten sich niemals auf etwas verlassen oder etwas einfordern, wonach Ihr Gegenüber nie verlangt hat.«
Es fehlte nicht viel, und Mina hätte verächtlich geschnaubt. »Ich verlasse mich auf gar nichts, Sir, das können Sie mir glauben.« Als sie sah, dass er die Augen zusammenkniff, schalt sie sich. Wie töricht, so harsch zu reagieren. »Sie kennen doch meine Mutter«, fuhr sie eine Spur sanfter fort. »Sie haben sie kennengelernt. Ich hatte gehofft, dass Sie Ihrem Herzen einen Ruck geben und mir helfen würden, sie zu finden.«
Ashmores versteinerter Gesichtsausdruck besagte, dass seine Seele keiner menschlichen Regung fähig war. Wie ein Mann mit derart betörenden Augen so viel Kälte in seinen Blick legen konnte, war Mina ein Rätsel. »In dem Fall würde ich Ihnen raten, Ihre Erwartungen herunterzuschrauben. Ich habe zugesichert, Sie zu schützen, mehr nicht.«
»Aber …«
»Außerdem sollten Sie es als einen besonderen Gefallen betrachten. Seitdem ich einen Titel trage, habe ich meine bisherige Tätigkeit an den berühmten Nagel gehängt.«
Wie reizend von ihm. Er hatte entschieden, sich die Hände reinzuwaschen, ließ sich dann aber doch dazu herab, sie als Gefangene zu nehmen, weil andere es gründlich vermasselt hatten. »Wie töricht von mir. Ich nahm an, Sie würden mir einen Gefallen tun, der in etwa dasselbe Ausmaß hat wie jener, den ich Ihnen seinerzeit erwiesen habe.«
»Genau das tue ich auch«, lautete die seelenruhige Antwort. »Ich sorge dafür, dass Sie am Leben bleiben und in Sicherheit sind.«
»Vor wem?«
Ashmore stieß ein ungläubiges Geräusch aus. »Vor Collins.«
»Collins schert sich einen feuchten Kehricht um mich. Er hat bereits meine Mutter in seiner Gewalt. Wieso sollte er da noch ein Interesse an mir haben?«
Einen Augenblick lang bedachte er sie mit einem skeptischen Blick, ehe er nickte. Aus irgendeinem Grund bewirkte dieses leichte Zögern, seine Zustimmung als Kränkung zu empfinden, so als zweifelte auch er daran, dass es Grund zur Sorge um sie gab. »Dann müssen Sie eben lernen, etwas mehr Geduld an den Tag zu legen«, sagte er. »Die Regierung hat bereits ihre besten Männer darauf angesetzt, ihn zu finden.«
Daran bestand kein Zweifel, doch einige von ihnen agierten nicht im Sinne des Königreichs.
Weitere Kostenlose Bücher