Die Wahrheit der letzten Stunde
wir ein Datum für die Sorgerechtsverhandlung festlegen.«
»Wird erledigt, Euer Ehren.« Der Gerichtsdiener stellt die Gegensprechanlage ab, nachdem er dem Richter versprochen hat, ihm die letzten Zeitungsberichte über Faith White zu beschaffen. Rothbottam bleibt noch eine Weile an seinem Schreibtisch sitzen, geht dann hinüber zu einem Bücherregal und wählt eine neue Originalaufnahme aus einem der zahlreichen Stapel.
Gleich darauf erfüllt die Musik von Jesus Christ Superstar den Raum, und Rothbottam lächelt. Es ist in Ordnung, völlig in Ordnung, sich in die richtige Stimmung zu bringen für den Termin am Nachmittag.
Manchester, New Hampshire
Malcolm Metz bewegt sich so anmutig in seinem ledernen Drehsessel, dass er aussieht wie eine moderne Version eines Zentauren, als er den drei Speichelleckern ihm gegenüber gestenreich einen Witz erzählt. »Petrus öffnet also die Himmelspforte und lässt den Papst und einen Rechtsanwalt ein. »Kommen Sie herein<, sagt er. >Ich zeige Ihnen, wo sie künftig wohnen werden.<« Metz legt eine Pause ein und schaut in die Runde. Immerhin muss ein geschickter Rechtsverdreher auch ein hervorragender Schauspieler sein.
»Petrus macht vor einem atemberaubenden goldenen Penthaus oben auf einer Wolke Halt. Er führt die beiden Männer hinein und zeigt ihnen die goldenen Wasserhähne in den Bädern, die seidene Bettwäsche und die kostbaren Teppiche auf den Fluren. Dann wendet er sich dem Anwalt zu und sagt: >Das ist Ihr neues Zuhause.< Er geht mit dem Papst und führt diesen in eine winzige Zelle mit einem schmalen Bett und einem einfachen Waschtisch. >Und hier werden Sie von nun an wohnen!<
Metz fährt in italiensich geprägtem Singsang fort. »>Heh, Moment mal!<, beschwert sich der Papst. >Ich war fromm und habe der katholischen Kirche vorgestanden - und trotzdem muss ich mich hiermit begnügen, während der Rechtsanwalt ein Penthaus bekommt?< Petrus nickt. >Ja<, sagt er. >Sehen Sie, wir haben hier viele Päpste. Aber es ist unser erster Anwalt.<«
Im Konferenzzimmer brandet Gelächter auf - niemand hat so viel für Rechtsanwälte übrig wie Rechtsanwälte. Aber Metz weiß auch, dass er ebenso gut irgendein langweiliges juristisches Dokument hätte vorlesen können.
Wenn er von seinen Partnern erwartet hätte, den Text komisch zu finden, hätten sie sich im Anschluss auf dem Boden gewälzt vor Lachen. Als seine Gegensprechanlage piept, hebt er eine Hand, und die jüngeren Kollegen verstummen. »Peggy«, sagt Metz zu seiner Sekretärin, »stellen Sie ihn durch.«
Mit erwartungsvollen Gesichtern sehen sie ihn an. »Gut. Ja, ich verstehe.« Metz legt auf und verschränkt die Hände auf der polierten Tischplatte. »Meine Herren und meine Dame«, sagt er, »der Antrag auf Einzelanhörung wurde abgelehnt.«
Er wendet sich Hunstead zu, seinem ersten Partner. »Rufen Sie Colin White an. Sagen Sie ihm, er soll einen ordentlichen Anzug anziehen und sich um halb drei mit mir im Grafton County Courthouse treffen. Lee«, fährt er an den zweiten Mann gewandt fort, »verständigen Sie die Medien. Ich will, dass sie wissen, dass der Vater die Ansicht vertritt, seine Tochter wäre gefährdet.«
Die beiden Kollegen hasten davon, und Metz bleibt allein mit dem - oder genauer der - Dritten im Bunde zurück. »Tut mir leid, Mr. Metz«, sagt Elkland. »Etwas Glück wäre schön gewesen.«
Metz zuckt die Achseln und sammelt Unterlagen und Akten auf seinem Schreibtisch ein. »Ich habe eigentlich gar nicht damit gerechnet, dass der Richter zu meinen Gunsten entscheidet.« Er klopft mehrfach mit den Aktendeckeln auf den Tisch, um sie ordentlich auszurichten. »Ich habe den Antrag nur gestellt, damit der Richter ihn ablehnen und sich so Genugtuung verschaffen kann. Sehen wir den Tatsachen ins Auge - kein Kleinstadtrichter möchte jemanden wie mich in seinem Gerichtssaal haben. Mir ist es lieber, dass Rothbottam diesen unwichtigen Antrag dazu benutzt, mir eins auszuwischen und mir vor Augen zu führen, wer der Boss ist. Es wäre weitaus unangenehmer, wenn er das in einem wichtigeren Punkt täte.«
Seine Kollegin ist verblüfft. »Dann war das nur Strategie? Dann ist die Kleine gar nicht in Gefahr?«
»Wer weiß das so genau? Einen Eilantrag wegen Gefahr in Verzug zu stellen macht den Vater glücklich. Den Antrag abzulehnen macht den Richter glücklich. Und wissen Sie, was mich glücklich macht?«
»Zu wissen, dass Sie gewinnen werden?«
Metz klopft ihr auf die Schulter. »Ich wusste
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