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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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werden sämtliche Telefonnummern eingehender Anrufe angezeigt. Ich notierte mir die Nummer, nur für den Fall, dass ich später zurückrufen wollte.«
    »Wie lautete diese Nummer, Mr. McManus?«
    »Ich kann meine Quellen nicht preisgeben, Sir.«
    Der Richter legt streng die Stirn in Falten, während im Zuschauerraum anerkennendes Stimmengemurmel laut wird. »Sie können und werden, Mr. McManus, oder Sie müssen sich wegen Missachtung des Gerichts verantworten.«
    Allen schweigt eine Weile nachdenklich. Dann kramt er ein kleines Notizbüchlein aus der Tasche und blättert darin. »Drei-eins-null-zwei-acht-acht-drei-drei-sechs-sechs.«
    »Haben Sie den Anschluss überprüfen lassen?«
    »Ja.«
    Malcolm Metz schlendert vor den Tisch der Verteidigung und baut sich vor Mariah auf. »Mr. McManus, sagen Sie uns doch bitte, wessen Nummer das ist?«
    Der Richter räuspert sich warnend, aber das ist überflüssig, McManus blickt bereits unverwandt auf einen Mann, die Augen zusammengekniffen in Erinnerung daran, wie dieser ihn vor einigen Wochen abgekanzelt hatte. »Es handelt sich um eine Handynummer«, sagt er. »Registriert auf den Namen Ian Fletcher.«
     
    Von der Sekunde an, da der Name Allen McManus fällt, fühlt Ian sich wie auf seinem Stuhl festgewachsen. Er ist unfähig, sich zu rühren, obgleich er ahnt, dass zu bleiben das Falscheste ist, was er tun kann. Wie hat er Metz nur so unterschätzen können? Ian sitzt zwei Reihen hinter Mariah und sieht, wie sie die Schultern anspannt, als sie erfährt, dass niemand anders als Ian verantwortlich war für die Enthüllungsstory über sie. Ich hätte es ihr beichten sollen, denkt er. Wenn ich es ihr selbst gesagt hätte, hätte sie mir verziehen.
    Er wünschte, sie würde sich zu ihm umdrehen. Er wünschte, er könnte ihr Gesicht sehen.
    Erst wenige Minuten zuvor, als er den Zeugenstand verlassen hat, hat er ihr im Vorbeigehen zugezwinkert. Sie hat über das ganze Gesicht gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd. Er kann sich ihr blasses Gesicht und den gequälten Ausdruck in ihren Augen vorstellen.
    Er starrt sie an, wie man nicht anders kann, als hinzusehen, wenn ein Gebäude einstürzt und ein Raub der Flammen wird, überwältigt von der Tragödie. Er zuckt nicht mit der Wimper, als sie die Hände vor das Gesicht schlägt und in Tränen ausbricht.
    Joan verwendet dreißig Sekunden darauf, zu versuchen, ihre Mandantin zu trösten, etwas, das noch nie ihre Stärke gewesen ist. Dann erhebt sie sich bebend vor Zorn. Wenn das hier ein Geschworenenprozess wäre, wäre alles anders. Dann könnte sie McManus ins Kreuzverhör nehmen und irgendwie Zweifel daran aufkommen lassen, dass Ian den Anruf von seinem Handy aus selbst getätigt hatte. Ein Mitarbeiter hätte ohne sein Wissen von seinem Telefon aus anrufen können, sein Handy hätte gestohlen worden sein können, weiß Gott was sonst noch alles. Aber der Richter würde sich bereits ein Urteil gebildet haben, ob Ian Fletcher der Anrufer gewesen war oder nicht. Und er würde — so wie alle Anwesenden — zu dem Schluss gekommen sein, dass Ian bereits mehrfach andere hereingelegt hat.
    »Sie arbeiten beim Globe?«, fragt sie barsch. »Ja.«
    »Wie lange schon?«
    »Seit sechs Jahren.«
    »Welche Ausbildung haben Sie genossen?«
    »Ich habe an der Columbia School of Journalism studiert und war anschließend beim Miami Herald, bevor ich zum Globe gewechselt bin.«
    »Wer hat Sie mit dieser speziellen Story betraut?«
    »Der Redakteur der Abteilung >Besondere Vorkommnisse<, Uwe Terenbaum. Er bittet mich manchmal, über Symposien und Kongresse zu berichten, wenn ich mit den Nachrufen nicht zu beschäftigt bin.«
    Joan marschiert vor ihm auf und ab wie ein Webstuhlschiffchen. McManus wird ganz schwindelig davon. Sie hat keinen Schimmer, was sie aus diesem Wurm herauspressen kann, aber sie hat so eine Ahnung, dass sein Ego seine Achillesferse ist. Und je lächerlicher sie ihn macht, desto besser. »Halten Sie sich für einen guten Reporter, Mr. McManus?«
    Allen richtet sich zu seiner vollen Größe auf. »Ich denke schon.«
    »Genießen Sie unter Kollegen einen guten Ruf?«
    »Sicher.«
    »Wurden Sie mit der Berichterstattung in diesem Fall betraut, weil Sie zu den besten Reportern des Globe gehören?«
    »Vermutlich«, erwidert er und wirft sich in die Brust.
    »Es muss ein Erfolgserlebnis gewesen sein, als Sie diese Telefonnummer zu Ian Fletcher zurückverfolgt haben.«
    »Ja, das stimmt«, gibt Allen zu. »Ich meine, er ist ja kein

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