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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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zurückgeholt.« Wütend steht Teresa auf und schnappt sich ihre große Lederhandtasche. Sie kramt darin nach der Wegbeschreibung nach New Canaan, die sie mit ihrer Nachbarin mit Hilfe einer Faltkarte von New Hampshire mühsam zusammengestellt hat. Sie wirft sie verächtlich der Reporterin zu. »Fragen Sie sie doch selbst«, sagt sie, macht auf dem Absatz kehrt und schließt sich mit Rafael auf der Toilette ein, bis sie hört, dass Petra Saganoff und ihr Team die Wohnung verlassen. .
     
    12. Oktober 1999
     
    Im Flugzeug stellt Ian seine Kopfhörer auf den Nachrichtenkanal ein. Mit einem zufriedenen Seufzen richtet er seine Aufmerksamkeit auf den Monitor an der Decke der Business-Class.
    Aber anstatt CNN zu sehen, hat Ian plötzlich Petra Saganoff vor sich, die Moderatorin eines Boulevardmagazins. »Meine Güte, haben Sie denn nichts anderes?«, fragt er, nachdem er eine Flugbegleiterin herbeigewunken hat.
    Sie schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, Sir. Wir bekommen nur das, was man für uns aufgezeichnet hat.«
    Verärgert nimmt Ian den Kopfhörer ab und stopft ihn zurück in die Sitztasche auf der Rückseite des vorderen Sitzes. Er bückt sich nach seiner Aktentasche, um sich wenigstens seine letzten Quoten anzusehen und zu prüfen, in welchem Teil der Nation er am erfolgreichsten war.
    Als er sich wieder aufrichtet, fällt sein Blick auf die Frau, die Petra Saganoff interviewt.
    Sie kommt ihm irgendwie bekannt vor.
    Er kramt in dem Stapel Papiere in seiner Hand und - das Baby. Ian blickt wieder auf den kleinen Monitor und beobachtet, wie das Kind in den Armen der Frau strampelt und sich windet. Er greift wieder nach dem Kopfhörer. »… Sein Ausschlag war über Nacht abgeheilt. Seine Infektionen waren verschwunden …«, hört Ian, und plötzlich fällt ihm wieder ein, wo er die Frau schon einmal gesehen hat. Im Garten des Farmhauses in New Canaan; sie hat zugesehen, wie Faith White ihren Sohn in einem Puppenwagen herumgefahren hat.
    Ein Muskel zuckt an Ians Kiefer. Jetzt soll sie also nicht nur eine Tote ins Leben zurückgeholt, sondern außerdem noch ein aidskrankes Kind geheilt haben?
    »Gott hat dieses kleine Mädchen berührt…«, hört er die Frau sagen.
    »O Scheiße«, murmelt Ian. Er sollte sofort ins nächste Flugzeug steigen und zurückfliegen. Er sollte eine Kampagne starten, seine Anstrengungen verdoppeln. Er sollte Faith Whites lächerliche Folge von Wunderheilungen der Unheilbaren als Betrug entlarven.
    Aber er weiß, dass er das nicht tun wird - er wird wie geplant Michael besuchen gehen, bevor er nach New Canaan zurückkehrt.
    Er richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf die Unterlagen auf seinem Schoß, sieht aber stattdessen zwei Hände vor sich, die unablässig Karten umdrehen: rot, schwarz, rot, schwarz. Auf dem Bildschirm ist wieder das Baby zu sehen, das vor zwei Tagen noch völlig schlapp und teilnahmslos war; es strampelt lachend in den Armen seiner Mutter.
    Die Frage schießt ihm nur den Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf, ehe er sie entschlossen verdrängt. Und doch klingt sie in seinen Ohren nach, so fröhlich und volltönend wie eine anhaltende Note, die ein Chor plötzlich abgebrochen hat: Was, wenn ich mich diesmal irre?
     
    13. Oktober 1999
     
    Mit der ganzen Konzentration einer Siebenjährigen packt Faith die Dinge, die sie zum Weglaufen braucht, in die Leinentasche, die ihre Mutter gewöhnlich zur Bücherei mitnimmt. Zu den unverzichtbaren Dingen gehören ein Teddy, eine Unterhose zum Wechseln und eine Packung Kräcker von Ritz, die sie aus der Vorratskammer geklaut hat. Dann noch ihre Mitgliedsurkunde als Wonder Woman Superfriend und ein leuchtender Plastikring, den sie im Sandkasten im Park gefunden hat und dem sie schon immer eine gewisse Magie zugeschrieben hat. Sie wartet, bis sie hört, wie ihre Mutter im Bad die Dusche aufdreht. Dann schleicht sie sich aus ihrem Zimmer.
    Sie zieht eine dunkelgrüne Fleecejacke über rostfarbene Leggings und einen lila Turtleneck-Pullover. Dann noch rote Wollhandschuhe, um ihre Hände zu verstecken.
    Faith steigt auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. Sie läuft nicht weg, nicht wirklich, da sie ihre Mutter anrufen wird, sobald sie ein Münzetelefon gefunden hat. Sie kennt die Nummer auswendig. Für den Fall, dass jemand das Gespräch mithört, wird sie ihre Stimme verstellen, so wie Inspektor Gadget es manchmal tut, und ihrer Mutter sagen, sie solle zu dem Kino kommen, in dem sie sich Tarzan angeschaut haben, denn wer würde mit so

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