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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Plötzlich spannte sie den Arm an und warf etwas genau auf die Optik.
    »Sie hat ein Stück vom Hund auf die Kamera geworfen«, erklärte Fifi.
    »Welches Stück?«
    »Seine Genitalien.«
    »Hat Naoko das gesehen?«
    »Nein. Hätte ich es ihr zeigen sollen?«
    Passan gab keine Antwort. Er fixierte den schwarzen Bildschirm, als erwarte er etwas. Eine Erklärung. Eine Rechtfertigung. Einen Zusammenhang.
    Aber natürlich geschah nichts.
    »Ich muss mir das Kinderzimmer anschauen«, flüsterte er schließlich.

61
    Der Rasen glänzte blau. Die Blaulichter warfen groteske Schatten auf die Fassade der Villa. Passan musste an ein Open-Air-Kino denken. Eine ausverkaufte Vorstellung. Bei jedem Notruf schienen mehr Polizisten zu kommen.
    Im Innern des Hauses traten sie sich fast auf die Füße. Fifi und Passan zogen Überschuhe an und gingen durch die Küche. Ohne das Wohnzimmer zu betreten, wandten sie sich sofort zur Treppe in den ersten Stock. Bedrücktes Schweigen begleitete sie. Wo immer Passan vorüberkam, senkte man den Blick. Seine Verbrennungen stigmatisierten ihn. In den Augen der Kollegen war er mit einem Fluch belastet.
    Die blendenden Scheinwerfer der Spurensicherung tauchten das Kinderzimmer in gleißendes Licht. Passan hielt sich nicht mit Kleinigkeiten auf. Er beachtete keinen der Techniker, die sich in dem Raum zu schaffen machten. Er begrüßte weder Zacchary in ihrem Overall noch den schlecht gelaunten Rudel, der er es leid war, ständig wegen Tierkadavern aus dem Schlaf gerissen zu werden.
    Langsam ging er vorwärts. In seinen Ohren dröhnte es, als bekäme er keine Luft. Wie ein immer stärker werdender Druck. Ich versinke tiefer und tiefer in einen Abgrund.
    Schließlich gelang es ihm, sich auf Diegos Kadaver zu konzentrieren, der in einer Lache aus geronnenem Blut mitten im Zimmer auf seiner linken Flanke lag. Aus seinem klaffenden Leib quollen verknotet und verdreht die Organe hervor. Bei jedem Blitzlicht der Fotografen schienen sie einen Satz zu machen, um sofort wieder zu dem zu werden, was sie eigentlich waren: blutige Überreste, die bereits erste Verwesungsmerkmale zeigten.
    Wie versteinert stand Passan vor der Hundeleiche. Er fühlte sich so leer, als hätte man auch ihm Herz und Eingeweide herausgerissen. Langsam kniete er nieder und streichelte mechanisch den Hals des Hundes. Obwohl er keine Handschuhe trug, griff niemand ein.
    Eigentlich hatte er immer geglaubt, Diego nicht besonders zu mögen. Seine Zuneigung hatte sich auf die Kinder und früher auch auf Naoko konzentriert. Es erschien ihm abwegig, ein haariges, nur begrenzt mit Intelligenz gesegnetes Tier zu lieben. Nun aber, da der Hund tot war, stellte er fest, dass er sich getäuscht hatte. In Wirklichkeit hatte er diesen immer fröhlichen und gutmütigen Hausgenossen und seine tröstliche Art zutiefst geliebt. Diego war zu einem Symbol geworden. Ein ruhender Pol, dessen Zuneigung nie Ermüdungserscheinungen oder Gewöhnung zeigte.
    Als Passan sich erhob, fuhr ihm blitzartig der Gedanke durch den Kopf, dass es sie alle nach und nach erwischen würde. Naoko. Die Kinder. Ihn selbst. Das Blutbad hatte erst begonnen. Er sah den Gerichtsmediziner an, der missmutig seine Instrumente wegräumte.
    »Kannst du schon etwas sagen?«
    Rudel ließ die Verschlüsse seines Arztkoffers zuschnappen.
    »Man hat ihm den Bauch aufgeschlitzt und die Därme herausgeholt. Die Genitalien und die Zunge wurden abgeschnitten und die Augen herausgerissen. Profiarbeit, als wäre da ein Jäger oder Metzger am Werk gewesen.«
    »Warum hat er sich nicht gewehrt?«
    »Woher soll ich das wissen? Vielleicht wurde er betäubt. An den Pfoten sind auch Spuren von Fesseln.«
    »Ist das alles?«
    »Hör mal, ich bin kein Tierarzt.«
    »Streng dich wenigstens ein bisschen an.«
    Rudel baute sich mit der Tasche in der Hand vor Passan auf. Der Polizist war ihm dankbar, dass der Arzt ihn nicht wie einen entstellten Kranken behandelte. Ihm weder die Hand auf die Schulter legte noch einen mitleidigen Ton anschlug.
    »Der Täter hat vermutlich ein Messer mit einer gebogenen Klinge benutzt. Wir müssen das natürlich noch überprüfen, aber die Verletzungen …«
    »So etwas wie einen Säbel?«
    »Wenn, dann ein kleiner. An einigen Stellen kann man die Abdrücke des Griffs erkennen.«
    »Wie lang ungefähr?«
    »Die Klinge? Ungefähr zwanzig Zentimeter.«
    »Wie lang wird es dauern, bis du mehr weißt?«
    »Keine Ahnung. Ich muss erst einen Tierarzt finden.«
    »Ruf mich an.«
    Der

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