Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
und respektierte sie. Im Laufe der Lektüre tauchten gewisse technische Details auf, die ihn innehalten ließen. Naoko hatte auf irgendeine Weise sein Sperma gesammelt. Aber wie? Sie hatten nie Präservative benutzt.
    Nach und nach wurde ihm das Ausmaß ihrer Lüge bewusst. Alles, was sie hatte verbergen und verdrehen müssen. Arztbesuche. Untersuchungen, Reisen. Genau genommen hatte sie sich nie wirklich versteckt, ihn aber über die wahre Natur ihrer Handlungen getäuscht. Während all dieser Jahre hatte Naoko ein Doppelleben geführt.
    Er holte die Kalenderblätter mit seinen Aufzeichnungen aus der Tasche. 2003. 2005. Die Jahre, in denen seine Kinder auf die Welt gekommen waren. Nachdem Passan hinter ihr Geheimnis gekommen war, erhielten Naokos Reisedaten einen ganz anderen Sinn. Etwa neun Monate vor ihren angeblichen Entbindungen hatte sie jeweils Japan besucht. Jedes Mal hatten sie sich am Vorabend der Abreise geliebt, weil Naoko behauptete, es würde ihr Glück bringen.
    In Wirklichkeit hatte sie Sperma gesammelt.
    Von Japan aus hatte sie eine Klinik aufgesucht, wo ihre Eizellen im Reagenzglas befruchtet wurden und man einen oder mehrere Embryonen in den Uterus der Leihmutter einsetzte.
    Ayumi Yamada. Passan blickte von seiner Lektüre auf und dachte nach. Wer war diese Frau? Eine ihr bis dahin unbekannte Kandidatin? Eine Freundin? Eine Verwandte? War sie Japanerin oder Amerikanerin? Eine nach Amerika emigrierte Japanerin?
    Sollte diese Frau aber tatsächlich die Mörderin sein, dann gab es etwas, das nicht passte: Naoko, die immer die personifizierte Vorsicht war, hätte eine solch delikate Mission niemals einer instabilen oder bedrohlichen Persönlichkeit anvertraut. Und eine Psychose bekam man nicht von einem Tag auf den anderen. Sollte Naoko die Leihmutter gekannt haben, wieso hatte sie die Anzeichen ihres vielleicht latenten Wahns nicht wahrgenommen?
    Passan vertiefte sich wieder in seine Aufzeichnungen. Acht Monate später war Naoko erneut nach Japan gereist, um dort angeblich zu entbinden. Wo mochte sie sich mit der anderen Frau getroffen haben? Natürlich in Tokio. Ein Geburtsort war nicht so leicht zu fälschen. Hier aber taten sich weitere Fragen auf. Wie hatte Ayumi Yamada die Kinder zur Welt bringen und sie unter dem Namen Passan anmelden können? Hatte sie sich als Naoko ausgegeben? Was immer die beiden Komplizinnen ausgeheckt hatten – er würde es herausfinden.
    Beide Male war Naoko einen Monat später mit glänzenden Augen und einem Baby im Arm zurückgekehrt.
    Was rätselhaft blieb, waren Naokos sichtbare Schwangerschaftssymptome. Fifi hatte nichts über Produkte finden können, die auf künstliche Weise eine Schwangerschaft vortäuschten oder den Leib anschwellen ließen. Doch eigentlich spielte das auch keine Rolle. Das Resultat lag auf der Hand. Naoko hatte wirklich alles getan, um ihn zu täuschen – einschließlich der positiven Schwangerschaftstests.
    Das Flugzeug startete mit dröhnenden Düsen. Die Sicherheitshinweise waren viel zu laut und trotzdem kaum verständlich. Passan schloss seinen Ordner. Eigentlich hätte er außer sich sein müssen. Doch er fühlte sich nur erschöpft, fiebrig und abgestumpft.
    Er blickte sich um. Der Flieger war voller Japaner. Umso besser. Ihre natürliche Diskretion würde sie davon abhalten, ständig sein verbranntes Gesicht anzustarren. Und in Tokio würde es vermutlich ebenso weitergehen.
    Mit einem Mal kehrten die Schmerzen zurück. Seine Haut fühlte sich an wie die Schale einer heißen Marone. Er wartete, bis die Zeichen über den Sitzen erloschen, ehe er zur Toilette ging und eine neue Schicht Biafine auflegte. Außerdem schluckte er zwei von Fifis Tabletten. Lieber wollte er schlafen, als zwölf Stunden lang von einem endlosen Gedankenkarussell gepeinigt zu werden.
    Als er wieder auf seinem Platz saß, schloss er die Augen, um seine Überlegungen ein letztes Mal Revue passieren zu lassen. Doch stattdessen kamen Erinnerungen. Überraschenderweise waren es glückliche Erinnerungen an Zeiten, in denen er und Naoko alles geteilt hatten. Zeiten der Unbekümmertheit und des Einverständnisses.
    Und jedes Mal tauchte dasselbe Detail vor ihm auf.
    Naokos Lachen.
    Als Japanerin hatte sie die Eigenheit, ihr Lachen zurückzuhalten. Die Äußerungen ihrer Freude reduzierten sich auf einen Hauch, einen leisen Anflug auf ihren Lippen. Sobald ihnen ein kurzer Laut entschlüpfte, verbarg sie ihr Gesicht sogleich hinter ihrer Hand. Und doch hatte sie

Weitere Kostenlose Bücher