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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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schweigen.
    »Was hast du gesehen?«, hakte Fifi nach.
    Um keinen Preis würde Passan von seinem missglückten Abenteuer berichten. Stumm blickte er vor sich auf den Boden und fragte sich, weshalb Fifi ihn derart löcherte. Offenbar war etwas geschehen. Etwas, das mit ihm oder mit Guillard zu tun hatte.
    »Was ist los?«, fragte er schließlich.
    Fifi trug ein weites T-Shirt, auf dem Peter Tosh, der Gott des Reggae, in einer Cannabiswolke davonflog.
    »Levy ist verschwunden.«
    »Verschwunden?«
    »Er ist heute Morgen nicht ins Büro gekommen. Er geht nicht an sein Handy. Und sein Auto ist auch weg.«
    Für Levys Verschwinden konnte es tausend Gründe geben. Zum Beispiel ein heftiger Kater. Oder eine ordentliche Abreibung von seinen Gläubigern. Womöglich hatte jemand ihn nach einer seiner Gaunereien einfach umgelegt. Oder er war ins Ausland geflohen.
    »Wann habt ihr das letzte Mal von ihm gehört?«
    »Gestern Abend. Er war bei Guillard.«
    »Ganz allein?«
    »Mehr als das – er hat unsere beiden Jungs während der Unterredung in die Kneipe geschickt.«
    »Und wo war das?«
    »Im Autohaus in Aubervilliers.«
    »Wie lange war er bei Guillard?«
    »Eine halbe Stunde. Anschließend sind Albuy und Malençon zurückgekommen, und Levy ist weggefahren. Seither haben wir nichts mehr von ihm gehört.«
    »Und Guillard?«
    »Ist in aller Gemütsruhe heimgefahren.«
    Was konnte das bedeuten? Vielleicht hatte Levy etwas herausgefunden und wollte Guillard zum Reden bringen. Was vielleicht schlecht für ihn ausgegangen war. Gab es eine Verbindung zu Guillards Ausflug am Mittag? Nein, diese Idee war nun wirklich zu abenteuerlich.
    Eines allerdings war sicher: Sollte Levy versucht haben, Guillard auszutricksen, dann war er vermutlich jetzt tot.
    »Denkst du dasselbe wie ich?«
    Passan antwortete nicht. Die Mauern seiner Zelle erschienen ihm mit einem Mal viel enger und viel bedrohlicher.
    Fifi klopfte gegen die Tür. Im Hinausgehen sagte er:
    »Wir kümmern uns. Und halte dich beim Staatsanwalt lieber bedeckt, Olive. Sonst kommst du hier so schnell nicht raus.«

52
    Um sieben Uhr abends stand Naoko ein wenig versteckt in der Nähe des Hauses und wartete auf Passan. Sie wollte die Kinder lieber nicht sehen, denn es würde ihr danach zu schwerfallen, sich von ihnen zu trennen. Dort, wo sie stand, hörte sie nur das fröhliche Lachen, das aus dem Badezimmer drang. Und auch das tat schon weh.
    Sie hatte sich hinter Passans Lieblingsplatz verschanzt – seinem Zen-Garten. Er lag im Schatten einer Thunbergs-Kiefer mit waagrechten Ästen und eines Ahorns, dessen Blätter sich im Herbst blutrot färbten. Passan hatte die Bäume sofort nach den Kauf des Hauses pflanzen lassen, noch ehe er mit dem Umbau begann. Nach der Geburt der Jungen war noch je eine japanische Kiefer hinzugekommen und natürlich auch ein Kirschbaum. In der Mitte des Zen-Gartens befand sich sorgfältig geharkter grauer Kies. Ein Stück weiter rechts hatte Passan hinter ein paar Felsen einen von Schilf und Farn umgebenen winzigen Teich angelegt, über den sich eine Weide neigte. Kam man näher, sah man die Teichrosen – Sinnbild der Ruhe und des Friedens. Ein winziger Wasserfall benetzte ein paar Steine.
    Naoko hatte ihm nie verraten, dass sein Garten aus japanischer Sichtweise nicht ganz den Regeln entsprach. Der Tradition gemäß musste das »Steinmeer« im Nordosten liegen, was hier nicht der Fall war. Dennoch berührte sie der Anblick, weil in diesem Garten eine ganz andere Seite von Passan sichtbar wurde. Die Anordnung von Büschen, Felsen, Moosen und dem in Wellenlinien geharkten Kies verrieten Hingabe und Geduld.
    Nachdem man sie über die katastrophale Unterredung mit dem Psychiater informiert hatte, war sie sofort zur Villa gefahren. Anteilnahme war nicht ihr stärkster Charakterzug, aber in diesem Fall fühlte sie sich ganz allein schuld an der Misere. Im Gespräch mit ihrem Anwalt hatte sie ihm ihren Verdacht verraten, an den sie eigentlich gar nicht wirklich geglaubt hatte. Rhim hatte Morgenluft gewittert und den Coup gelandet, ohne vorher mit ihr darüber zu sprechen.
    Das Tor glitt auf. Passan und Fifi erschienen – der eine in einem ziemlich mitgenommenen Anzug, der andere im Outfit einer Postrock-Vogelscheuche. Sie wirkten so blass und struppig, als hätten sie die Nacht durchgemacht. Ein Stück weiter hinten erkannte Naoko die Jungs vom Personenschutz. In was für einer Welt lebte sie?
    Fifi hob die Hand zum Gruß und verschwand im Haus. Passan

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