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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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xx . Tess lächelte. Kaum hatte sie Connors SMS gelesen, piepte es wieder.
    »Aber jetzt ist es Daddy!« Liam sprang auf und ab wie ein kleiner Fußballspieler.
    Noch eine SMS von Connor.
    Schöner Tag zum Drachen-steigen-Lassen. Wenn du willst, komm mit Liam auf den Sportplatz, dann rennen wir. Den Drachen bringe ich mit! (Aber wenn du meinst, das ist keine gute Idee, dann verstehe ich das.)
    »Nein, nicht von Daddy, Liam«, erklärte Tess. »Von Mr. Whitby. Den kennst du doch. Dein Sportlehrer.«
    Liam schaute sie mit großen Augen an. Lucy räusperte sich.
    »Mr. Whitby«, sagte Tess noch einmal. »Du hast ihn …«
    Liam runzelte die Stirn. »Warum schreibt der dir SMS ?«
    »Willst du nicht noch dein Brötchen aufessen, Liam?«, fragte Lucy.
    »Mr. Whitby ist ein alter Freund von mir«, sagte Tess. »Erinnerst du dich, wie ich ihn begrüßt habe, als wir im Schulsekretariat saßen, um dich anzumelden? Ich kenne ihn von früher. Da warst du noch gar nicht geboren.«
    »Tess …« In Lucys Stimme schwang ein mahnender Ton mit.
    »Was?«, entgegnete Tess gereizt. Wieso sollte sie Liam nicht erzählen, dass Connor ein alter Freund von ihr war? Was war daran so schlimm?
    »Kennt Daddy ihn auch?«
    Da meint man, Kinder würden überhaupt nichts verstehen von den Beziehungen unter Erwachsenen. Dann aber platzen sie urplötzlich mit Sätzen wie diesem heraus, die zeigen, dass sie im Grunde doch alles verstehen.
    »Nein«, antwortete Tess. »Das war, bevor ich deinen Vater kennengelernt habe. Egal. Mr. Whitby hat geschrieben, heute sei ein super Tag zum Drachen-steigen-Lassen. Und er fragt, ob du und ich vielleicht Lust hätten, zum Sportplatz zu kommen.«
    »Hä?« Liam zog ein finsteres Gesicht, als hätte sie ihn gerade gebeten, sein Zimmer aufzuräumen.
    »Tess, meine Liebe, meinst du wirklich, dass das … nun ja …«, Tess’ Mutter hob eine Hand seitlich an ihren Mund, als Schutzschild gewissermaßen, und fügte dann mit gedämpfter Stimme hinzu: »… angemessen ist? «
    Tess ignorierte sie. Sie war nicht willens, sich ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen. Wieso sollten sie und Liam heute hier zu Hause hocken, während Will und Felicity weiß Gott was trieben? Und sie wollte dieser Therapeutin, dieser unsichtbaren kritischen Instanz in Connors Leben, zeigen, dass sie, Tess, keine bestusste, verkorkste Frau war, die Connor nur zum Sex benutzte. Sie war gut. Sie war nett .
    »Er hat einen ganz tollen Drachen«, erklärte Tess, um Liam zu überreden. »Er dachte, du hättest vielleicht Lust, ihn fliegen zu lassen, das ist alles.« Sie schaute wieder zu ihrer Mutter. »Er meint es nur gut, weil wir neu sind an der Schule.« Sie sah wieder Liam an. »Sollen wir uns mit ihm treffen? Nur für eine halbe Stunde?«
    »Also gut«, sagte Liam widerwillig. »Aber zuerst will ich Daddy anrufen.«
    »Wenn du angezogen bist«, erwiderte Tess. »Geh, zieh dir deine Jeans an! Und dein Rugby-Shirt. Es ist heute ein bisschen frischer.«
    »Na gut.« Liam trollte sich.
    Tess tippte eine SMS an Connor: In einer halben Stunde am Sportplatz – xx .
    Kurz bevor sie auf Senden drückte, löschte sie das »xx«, das für zwei Küsse stand, wieder. Für den Fall, dass seine Therapeutin darin einen Verführungsversuch sah. Doch dann erinnerte sie sich an die vielen Küsse der vergangenen Nacht. Lächerlich. Wieso sollte sie ihn nicht auch per SMS küssen dürfen? Und so machte sie drei Küsse daraus und schickte sich an, die SMS abzusenden. Dann aber zögerte sie, fragte sich, ob drei Küsse nicht etwas übertrieben wären, und tippte nur ein »x« für nur einen Kuss ein. Doch ein Kuss erschien ihr im Vergleich zu seinen zwei Küssen wiederum zu spärlich, so, als wollte sie ihn unterbieten. Ts!, entfuhr es ihr.Also kehrte sie zurück zu ihren ursprünglichen zwei Küssen und schickte die SMS schließlich und endlich ab. Sie sah auf und merkte, dass ihre Mutter sie die ganze Zeit beobachtet hatte.
    »Was?«, sagte Tess.
    »Sei vorsichtig!«
    »Was meinst du?« In Tess’ Stimme schwang ein leicht trotziger Ton mit, den sie aus ihren Teenagerjahren kannte.
    »Ich meine nur, dass du nicht so weit gehen sollst, dass du nicht mehr zurückkannst.«
    Tess lenkte ihren Blick kurz zur Terrassentür, um sich zu versichern, dass Liam im Haus war. »Es gibt nichts, wohin ich zurückkönnte. Unsere Ehe ist offenbar gewaltig schiefgelaufen …«
    »Papperlapapp!« Lucy fiel ihr derart entschieden ins Wort, dass Tess erschrocken

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