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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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verkauft Tupperware«, sagte Tess’ Mutter. »Verdient sich damit eine goldene Nase.«
    »Aber sie kennt uns nicht, oder?« Tess warf einen kurzen optimistischen Blick über ihre Schulter nach hinten, um zu sehen, ob außer ihnen noch jemand da wäre, dem Cecilias Winken gelten könnte. Aber da war niemand. Wollte sie ihre Tupperware anpreisen?
    »Cecilia kennt jeden.«
    »Können wir nicht Reißaus nehmen?«
    »Zu spät«, nuschelte ihre Mutter undeutlich durch die Zähne, während sie bereits ihr freundliches Lächeln aufgesetzt hatte.
    »Lucy!«, rief Cecilia, als sie näher kam, schneller als Tess es für möglich gehalten hätte. Als hätte sie sich teleportiert. Sie beugte sich zu ihrer Mutter hinunter, um sie mit einem Küsschen zu begrüßen. »Was hast du denn angestellt?«
    Untersteh dich, meine Mutter Lucy zu nennen! , dachte Tess bei sich und entwickelte sofort eine kindliche Antipathie. Für dich immer noch Mrs. O’Leary ! Jetzt, da Cecilia vor ihnen stand, erinnerte Tess sich sehr wohl an ihr Gesicht. An diesen kleinen, hübsch frisierten Kopf (obwohl die Zöpfe inzwischen einer kecken, kunstvoll ordentlichen Bobfrisur gewichen waren), an das wache, offene Gesicht, den auffälligen Überbiss und die beiden lächerlich riesigen Grübchen. Sie sah aus wie ein hübsches, kleines Frettchen.
    (Und trotzdem hatte sie einen Fitzpatrick abbekommen!)
    »Ich habe dich gleich gesehen, als ich aus der Kirche kam – es war die Beerdigung von Schwester Ursula. Hast du schon gehört, dass sie dahingegangen ist? Und da habe ich gleich gedacht, das ist doch Lucy O’Leary, die da im Rollstuhl sitzt. Was ist passiert? Neugierig wie ich bin, musste ich dir natürlich gleich Hallo sagen. Scheint ein guter Rollstuhl zu sein, beste Qualität. Hast du den beim Apotheker gemietet? Aber was ist passiert, Lucy? Dein Knöchel, stimmt’s?«
    Oh, Gott. Tess spürte ihren Selbstwert gänzlich schwinden. Sie kannte dieses Gefühl, das diese redseligen, energiegeladenen Menschen stets in ihr auslösten.
    » So schlimm ist es nicht, Cecilia«, antwortete Tess’ Mutter. »Nur ein gebrochener Knöchel.«
    »Oje, aber das ist schlimm, du Arme! Wie kommst du denn zurecht? Ich bring dir später Lasagne vorbei. Keine Widerrede. Ich bestehe darauf. Oder bist du Vegetarierin? Aber ich schätze mal, dass du deshalb da bist, nicht wahr?« Ohne Vorwarnung drehte Cecilia sich zu Tess um, die unweigerlich einen Schritt zurückwich. Was meinte sie damit? Etwas, was mit vegetarischer Küche zu tun hatte? »Um dich um deine Mutter zu kümmern? Übrigens, ich bin Cecilia, falls du dich nicht mehr an mich erinnerst!«
    »Cecilia, das ist meine Tochter«, hob Lucy an, um gleich im nächsten Moment von Cecilia unterbrochen zu werden.
    »Klar, weiß ich doch. Tess, nicht wahr?« Cecilia drehte sich um und streckte Tess, zu deren großer Überraschung, die Hand entgegen, um sie förmlich zu schütteln. Tess sah Cecilia als jemanden aus der Ära ihrer Mutter, als eine altbackene, erzkatholische Frau, die erzkatholische Wörter benutzte wie »dahingegangen« und die sich als Katholikin stets süßlich lächelnd im Hintergrund hielt und den Männern die förmlichen Gesten überließ wie das Händeschütteln. Cecilias Hand war klein und trocken, ihr Griff dagegen fest und stark.
    »Und das muss dein Sohn sein …« Cecilia lächelte strahlend in Liams Richtung. »Liam, nicht wahr?«
    Herrje. Sie wusste sogar seinen Namen! Wie war das denn möglich? Tess war nicht einmal bekannt, ob Cecilia überhaupt Kinder hatte. Bis vor wenigen Sekunden hatte sie diese Frau völlig vergessen gehabt.
    Liam sah herüber, zielte mit seinem Stock geradewegs auf Cecilia und drückte den imaginären Abzug.
    »Liam!«, rief Tess. Cecilia stöhnte auf, griff sich an die Brust und taumelte, als wäre sie tatsächlich von einer Kugel getroffen worden. Das machte sie derart überzeugend, dass Tess einen Moment lang Sorge hatte, sie würde tatsächlich kollabieren.
    Liam hielt sich den Stock vor den Mund, pustete darauf und hatte sichtlich Spaß.
    »Wie lange denkst du denn, in Sydney zu bleiben?« Cecilia fixierte Tess. Sie war eine von denen, die viel zu lange Blickkontakt hielten. Das genaue Gegenteil von Tess. »Nur bis Lucy wieder auf den Beinen ist? Du hast eine Firma in Melbourne, nicht wahr? Da kannst du bestimmt nicht so lange wegbleiben! Und Liam muss ja auch zur Schule.«
    Tess sah sich nicht imstande zu sprechen.
    »Tess will Liam auf der St.-Angela-Schule anmelden

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