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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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knapp hundert Meter weiter vorn entgegenleuchtete. Dort ging ich auf die Knie und spähte nach draußen. Mads und Karl-Heinz gingen an der gegenüberliegenden Tunnelwand in Stellung. Ich hielt mir die Ohren zu und presste meinen Körper gegen die kalte, raue Felswand. Das Dynamit explodierte, und wir spürten die Druckwelle, aber der Großteil der Energie entlud sich auf der anderen Seite. Ich wusste nicht, wie groß der Schaden war. Ich hoffte, dass einige der Legionäre bereits vor der Explosion in den Tunnel eingedrungen waren und sich jetzt auf dem Weg in die Hölle befanden. Der Tunnel hinter uns füllte sich mit Rauch und Gesteinsstaub. Selbst die Legionäre würden jetzt kaum noch versuchen, ihn zu passieren.
    Ich schaute hinaus. Es sah nicht gut aus. Die Fremdenlegionäre wurden zwar noch von Henris Maschinengewehr ferngehalten, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis seine Munition aufgebraucht war. Auf den Schienen vor uns lagen drei getötete Legionäre in ihren grünen Uniformen. Die Seile, mit denen wir uns abgeseilt hatten, hingen an der Felswand herunter, aber es wäre selbstmörderisch, wenn wir versuchen würden, zu Henri hinaufzuklettern.Wir wollten ihn natürlich mitnehmen, aber wie? Wir mussten ihm irgendwie Deckungsfeuer geben, aber wie konnte ich ihm am besten zu verstehen geben, dass er zu uns herunterkommen sollte? Diese Frage erwies sich jedoch bald als überflüssig.
    Der Granatenwerfer begann jetzt, Granaten auf das Plateau abzufeuern. Wir zogen uns instinktiv in den Tunnel zurück, dann hörten wir die Explosionen über uns. Es regnete Felsbrocken, Grasnarbenstücke und Steine auf die Schienen vor uns. Henris zerfetzter Körper wurde über die Bahngleise und bis nach unten auf die Landstraße geschleudert. Der Granatenwerfer feuerte drei weitere Schüsse ab, dann wurde es still. An den Präzisionsschüssen erkannten wir, dass es deutsche Hilfstruppen sein mussten, die dieses neue und höchst effektive Artilleriestück bedienten. Das Einzige, was noch zu hören war, war das Sausen in unseren Ohren.
    Es war Karl-Heinz, der den Entschluss fasste. Er sprach leise und eindringlich mit Mads, der immer wieder den Kopf schüttelte. Schließlich packte Karl-Heinz Mads am Kragen, presste ihn gegen die Wand und redete noch eindringlicher auf ihn ein, wobei sich sein Gesicht unmittelbar vor dem von Mads befand. Es sah verbissen aus, und er hatte Tränen in den Augen. Vielleicht vom Pulverrauch oder vom Explosionsstaub. Schließlich nickte Mads, Karl-Heinz ließ seinen Kragen los und deutete mit einer Kopfbewegung in den Tunnel hinein, sodass auch ich verstand, was er auf Deutsch zu Mads gesagt haben musste. Wir durften uns nicht ergeben. Wenn wir Glück hätten, würden sie uns auf der Stelle erschießen, aber das Risiko, dass sie uns zuerst foltern würden, war groß und flößte uns natürlich gewaltige Angst ein.
    Es war unsere einzige Chance. Wir würden durch den gesprengten Tunnel zurückgehen, weil wir darauf hofften und damit rechneten, dass die Legionäre sich nach untenauf die Landstraße zurückgezogen hatten, um auf der anderen Seite des Tunnels beim Sturmlauf auf uns dabei zu sein. Sie wären schön dumm, sich durch den Rauch und den Staub zu quälen, wo wir doch wie die Ratten am anderen Ende in der Falle saßen. Vielleicht würden sie ein paar Mann vor dem gegenüberliegenden Tunnelausgang aufstellen, aber wohl kaum einen ganzen Trupp. Mads und ich sollten vorangehen, Karl-Heinz würde den Großteil unserer Munition und unserer Granaten nehmen und so tun, als wären es mehrere Männer, die seinen Posten verteidigten. Das würde uns einen Vorsprung verschaffen. Dann würde er hinter uns herkommen. Daran glaubten weder Mads noch ich, aber das blieb unausgesprochen.
    »Vielleicht ist der Durchgang versperrt. Vielleicht ist die Decke eingestürzt«, versuchte Mads einzuwenden.
    »Dann könnt ihr ja einfach wieder zurückkommen«, sagte Karl-Heinz. »Die Welt braucht Dichter. Und du brauchst Bertils Hilfe, um zurechtzukommen. Also ab mit dir.« Seine Stimme klang ruhig, und er wirkte gefasst, als er zuerst Mads und dann mir die Hand reichte. Und um jeden weiteren Einwand zu unterbinden, drehte er sich um, verteilte die Handgranaten auf dem Felsboden hinter sich, ging in die Knie und feuerte ein Magazin seines Gewehrs auf die Legionäre ab, die sich gerade auf allen vieren die leichte Steigung emporarbeiteten, die zum Tunnel hinaufführte. Sie ließen sich zurückfallen, aber einer von ihnen

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