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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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rasend, zugleich aber auch kalt und berechnend. Als befänden sich zwei Seelen in einer Brust.
    Mads ist stark, gelenkig und schnell. Er taucht unter Magnus hindurch und versucht, wieder auf die Beine zu kommen, aber Magnus bekommt sein Fußgelenk zu fassen, wirft ihn am Flussufer erneut zu Boden und versucht, sein größeres Gewicht zu seinem Vorteil einzusetzen. Mads boxt Magnus zweimal in die Nieren, sodass dieser vor Schmerz laut aufheult, aber dann erwischt Magnus ihn am Arm. Sie rollen ineinander verknäult über den Boden. Um sie herum wirbelt Staub auf.
    Mads kann sich befreien und steht auf. Sein Gesicht ist weiß und verzerrt. Seine zur Faust geballte Linke trifft Magnus an der Wange. Der versucht, Mads eine Rechte gegen das Kinn zu verpassen, aber Mads wehrt den Schlagab und erwischt Magnus noch einmal mit seiner linken Geraden. Magnus wechselt seine Fußstellung und rammt seine Rechte gegen Mads’ Brust, sodass der einige Schritte nach hinten machen muss, um nicht zu fallen. Mads will gerade sein Pistolenholster öffnen, als Magnus hart in ihn hineingrätscht, woraufhin beide in den Fluss stürzen.
    Das Wasser ist nicht tiefer als einen halben Meter, aber das reicht aus, um sie auseinanderzubringen. Sie rollen sich zu unterschiedlichen Seiten weg und richten sich auf. Mads hat seine Pistole aus dem Holster gezogen und zielt damit auf Magnus, der spürt, wie Wut und Raserei aus seinem Körper weichen, sobald er sich ganz aufgerichtet hat.
    Er sieht seinen kleinen Bruder an, der sich in einer anderen Welt zu befinden scheint. Das Wasser rinnt über sein verzerrtes Gesicht und tropft von seiner Kleidung. Wie in Zeitlupe entsichert Mads die Pistole und hält sie noch ein wenig höher, sodass sie direkt auf Magnus’ Herz zielt.
    Magnus fühlt sich auf einmal völlig leer und kann die Wut nicht mehr verstehen, die ihn wenige Sekunden zuvor noch zu verschlingen drohte. Mit einem lauten Platschen lässt er sich in das flache Wasser fallen und sagt mit erstaunlich ruhiger Stimme: »Verflucht noch mal, kleiner Bruder. Jetzt hören wir aber auf damit. Ich ergebe mich.«
    Mads setzt sich ebenfalls mit einem Platschen in das flache Wasser. Die Pistole ruht auf seinem Oberschenkel.
    So sitzen sie eine Weile da und sehen einander in die Augen, ohne ein Wort zu sagen. Das Einzige, was sie hören, sind das Zwitschern eines Vogels und ihre eigenen, schweren Atemzüge.

16
    S ie sind beide erschöpft, als sie nebeneinander auf der von der Natur geschaffenen Steinbank sitzen. Der Wind hat etwas aufgefrischt, und sie spüren ihn auf ihrer nassen Kleidung. Sie schauen einander nicht an. Magnus hat eine trockene Zigarettenpackung in seiner Schultertasche gefunden und zwei Zigaretten herausgenommen. Sie vermeiden es, sich in die Augen zu sehen, als er Mads die Zigarette anzündet. Mit hängenden Köpfen und auf Abstand sitzen sie da und rauchen, während das Wasser auf die trockene Erde mit dem struppigen, versengten Gras tropft. Sie hören den Wind in den Bäumen, eine Krähe, die schreit, das Wasser, das deutlich vernehmbar durch das Flussbett fließt, und ihre Atemzüge, die sie unter Kontrolle zu bekommen versuchen. Weder können noch wollen sie Worte finden für das, was eben zwischen ihnen vorgefallen ist.
    Kommunizieren Männer wirklich auf diese Weise?, denkt Magnus, steht auf, nimmt seine Tasche und setzt sich wieder hin. Er holt seinen Revolver heraus und reicht ihn Mads mit dem Schaft zuerst. Mads reicht ihm im Gegenzug seine Pistole, eine deutsche Luger mit einem braunen Schaft. Sie sitzen mit den Waffen in den Händen da, drehen und wenden sie, betrachten sie von allen Seiten und vermeiden sorgsam, sich dabei anzusehen.
    »Es ist eine Parabellum«, sagt Mads und nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette. »Kaliber 7.65. Acht Schuss im Magazin. Die Zuverlässigkeit in Person. Eine Deutsche eben.«
    Er spricht mit sachlicher und fester Stimme, und Magnusgewinnt den Eindruck, dass sein kleiner Bruder nicht nur Soldat, sondern auch Waffeninstrukteur ist. »Ja. Kennst du meinen? Es ist ein Smith & Wesson, Kaliber 38, wie sie in den USA sagen. Sechs Schuss. Es ist das Modell, das der Hersteller selbst entwickelt und 1905 überarbeitet hat.«
    »Sechs Patronenlager. Verstehe.«
    »Den ersten dieser Revolver haben sie bereits 1899 hergestellt. Das ist das Modell 10. Es ist sehr berühmt in den Staaten. Und, um genau zu sein, auch in den Ländern im Süden wie Mexiko und Argentinien.«
    »Aha.«
    »Aber du bevorzugst die

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