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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Wanderungen gemacht und im Zelt oder in Höhlen übernachtet, die wir selbst gebaut haben. Wir haben zusammen geangelt. Im Winter waren wir Polarforscher, die auf Skiern unterwegs waren oder mit den Schneeschuhen, die du mir gebastelt hast. Erinnerst du dich daran?
    Erinnerst du dich auch an unsere Städte? Wir haben kleine Städte aus Zweigen und Blättern gebaut. Einige unsererGebäude erinnerten an indianische Tipis, während andere eher wie kleine Blockhäuser aussahen. Wieder andere haben wir aus unseren Metallbausätzen gebaut. Wir waren sehr detailverliebt. Wir haben Wege angelegt und eine Mauer um die Stadt gezogen. Es gab eine Brücke über einen kleinen Wasserlauf, den wir ebenfalls selbst angelegt haben. Wir haben auch Geschäfte eingerichtet. Es war eine richtige kleine Gesellschaft. Dann haben wir unsere Zinnsoldaten und andere kleine Figuren aufgestellt, die wir aus Vaters Pfeifenputzern, aus Wäscheklammern und anderen Haushaltsdingen gebastelt haben. Bei denen hat Marie uns immer geholfen.
    Wir haben dann einige Tage lang mit der Stadt gespielt, aber uns war die ganze Zeit klar, dass es schon bald wieder vorbei sein würde mit ihr. Am schönsten war es, wenn es geschneit hatte und die Stadt mit Schnee bedeckt war und weihnachtsweiß und strahlend dalag. Die Stadt befand sich in einer abgelegenen Ecke im Garten. Kannst du dich noch daran erinnern? Unten bei den großen Buchen hinter der Statue des Mannes, der das Sanatorium gegründet hat.«
    »Ich erinnere mich sehr gut daran«, sagt Magnus und beugt sich nach vorn. Seine Handflächen brennen ein wenig auf dem rauen Stein.
    »Sobald du die Silvesterknaller vom Fahrradhändler bekommen hattest, machten wir uns an die Vorbereitungen, um das Ganze schließlich in die Luft sprengen zu können. Das war keine ganz leichte Aufgabe. Es musste sehr genau vorbereitet werden. Das war immer aufregend, nicht wahr? Die verschiedenen Knallkörper miteinander zu verbinden, ihre Stärke richtig einzuschätzen, zu überlegen, in welcher Reihenfolge man sie am besten explodieren ließ. Dafür brauchten wir einen ganzen Tag. Wenn es dann Abend geworden war, zündeten wir die Lunte an und jagten das Ganze in die Luft. Du hast das mehrere Jahre nacheinander gemacht, am Ende durfte ich auch mal. Marie konnte nichtverstehen, was uns daran so viel Freude machte. Einmal wurde sie richtig sauer, als sie sah, dass einem meiner Soldaten ein Bein weggesprengt worden war. Es sind wirklich die seltsamsten Dinge, an die man sich erinnert, oder?«
    »Warum erzählst du mir das alles, Mads?«
    »Weil das hier in Spanien mein Auftrag ist. Ich sprenge Dinge und manchmal auch Menschen in die Luft. Bertil und ich begeben uns hinter die Front der Faschisten und sprengen ihre Brücken, Munitionslager und anderes in die Luft. Meine Einheit nennt sich ›Servicio Especial‹. Das heißt …«
    »Spezialeinheit. Ich spreche Spanisch, Mads.«
    »Stimmt, das tust du. Viel besser als ich, was aber nicht viel heißen will.«
    »Du bist also Partisan oder Saboteur oder was weiß ich geworden, weil ich dir beigebracht habe, Zinnsoldaten in die Luft zu sprengen, als wir klein waren?«
    Mads lacht laut auf, und Magnus wird ganz warm ums Herz. Er erinnert sich an Mads’ helles Lachen, als sie Kinder waren. Daran, wie Mads eine bedrückte Stimmung aufheitern konnte, indem er sein fröhliches Lachen ertönen ließ. Schon als Baby schien sein Gesicht ein einziges Lächeln zu sein. Doch genauso schnell, wie er anfing zu lachen, konnte er auch in Tränen ausbrechen. Manchmal tat er sogar beides gleichzeitig, sodass man nie genau sagen konnte, wann sich das Lachen in ein Weinen oder das Weinen in ein Lachen verwandelte.
    »Nein, Magnus. Das hat Bertil mir beigebracht. Bertil hatte mit Dynamit und Sprengstoff zu tun, seit er fünfzehn Jahre alt war. Und sein Vater auch schon. Bertil hat in Norwegen Tunnel in die Felsen gesprengt, und in Kiruna hat er in den Erzminen Gänge freigesprengt, bevor er hierherkam.«
    »Er scheint ja ein richtiger Held zu sein, dieser Bertil.«
    »Du brauchst gar nicht so sarkastisch zu sein. Bertil ist ein guter Kamerad und ein wahrer Revolutionär.«
    »Das glaube ich gern. Ein echter Heiliger.«
    »Jetzt hör auf damit, verdammt noch mal«, sagt Mads mit zunehmender Verärgerung in der Stimme. »Er ist ein Mensch, dem ich hundertprozentig vertraue. Er ist stark, und er ist lustig.«
    »Er ist einer von Stalins Jungs, nicht wahr?«
    »Ja, und?«
    »Bist du auch Kommunist geworden,

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