Die Wahrheit über Alice
seufzt. «Wo steckst du? Hört sich komisch an. Es hallt irgendwie.»
«Ich bin unterwegs. In einem Pub. Hotel William. Gerade sitze ich auf dem Klo, um dich anzurufen. Vorne ist die Musik zu laut.»
«Ach so.» Sie schweigt kurz. Dann: «Mit wem bist du denn da?»
«Philippa. Und einer Freundin von ihr, Danni. Und mit Philippas Bruder.» Ich benutze bewusst nicht Micks Namen. «Aber ich
kann zu dir nach Hause kommen. Ich bring irgendwas mit, was dich aufheitert.»
|206| «Nein. Nein. Ich will dir nicht den Abend verderben. Ich komm in den Pub. Wir sehen uns dort.»
«Aber es ist tierisch laut hier.» Und während ich rede, merke ich, dass ich sie nicht dabeihaben will. Ich will Mick und Philippa,
meine neue Liebe und meine neue Freundin, unbedingt von Alice fernhalten. Irgendwie habe ich Angst, dass sie alles zerstört
oder es irgendwie vergiftet. «Wir werden gar nicht miteinander reden können.»
«Macht nichts», sagt sie. «Ich will auch gar nicht reden. Ich will mich nur amüsieren.»
Ich kehre zurück zu unserem Tisch. Die Band ist wieder auf der Bühne, Mick sitzt an seinem Schlagzeug, und er zwinkert mir
zu. Philippa und Danni lauschen der Musik, wippen mit den Füßen im Takt und lächeln mich an. Ich lächle zurück. Doch ich fühle
mich jetzt anders, meine unbeschwerte Hochstimmung ist wie weggeblasen. Der Gedanke, dass Alice kommt, hat mich müde gemacht,
und auch ängstlich.
Alice trägt das kürzeste Kleid, das ich je gesehen habe. Es ist mit silbernen Pailletten verziert und bedeckt kaum ihre Unterwäsche,
wenn sie überhaupt welche trägt. Sie trägt Stiefel, die ihr bis zu den Knien reichen. Sie sieht phantastisch aus, sexy, hinreißend,
und ich bemerke, dass sie alle Blicke auf sich zieht, als sie auf unseren Tisch zusteuert.
Sie rückt einen Stuhl neben meinen. Dabei würdigt sie weder Philippa noch Danni eines Blickes, sondern setzt sich seitlich
zu ihnen, sodass sie mich direkt ansieht.
«Hi», sagt sie und beugt sich näher zu mir, damit ich sie hören kann. Ihr Gesicht ist geschminkt und strahlend schön. «Ganz
schöne Spelunke hier, was? Los, lass uns woandershin gehen. Nur wir zwei.»
Ehe ich antworten kann, beugt Philippa sich über den Tisch und stupst Alice an.
|207| «Willst du gar nicht Hallo sagen?» Sie muss gegen die laute Musik der Band anschreien.
«Hi, Philippa.»
«Das ist Danni», sagt Philippa.
«Hi», ruft Danni. «Dein Kleid ist der Wahnsinn. Du siehst super aus. Und deine Stiefel! Wo gehst du einkaufen?»
Dannis Schmeicheleien scheinen Alice zu gefallen, denn ihre Körpersprache verändert sich augenblicklich und dramatisch. Sie
wendet sich Danni zu und lächelt. Zwischen den beiden entspinnt sich ein Gespräch über Klamotten, und Alice vergisst anscheinend,
dass sie vorhin noch wegwollte. Sie rückt ihren Stuhl an Dannis heran und beugt sich zu ihr. Philippa schaut mich an und verdreht
die Augen.
Alice und Danni quatschen und quatschen, Philippa und ich sitzen nebeneinander und hören uns die Musik an. Wir reden nicht
miteinander, aber wir tauschen dann und wann einen Blick aus und lächeln uns an. Philippas Lächeln strotzt nur so vor schwesterlichem
Stolz.
Als das Set zu Ende ist, kommt Mick direkt wieder zu uns an den Tisch. Er bleibt hinter mir stehen, beugt sich vor und küsst
mich auf den Hals.
«Ich hol mir was zu trinken», sagt er. «Kommst du mit?»
Er nimmt meine Hand, und als ich aufstehe und meinen Stuhl zurückschiebe, merke ich, dass Alice neugierig zu uns hochsieht.
Sie hört auf zu reden und starrt uns mit großen Augen an, aber ich wende mich schon zum Gehen.
Als wir zum Tisch zurückkommen, sitzt Alice zurückgelehnt auf ihrem Stuhl, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie lächelt.
«Soso. Du und Mick?» Sie schaut mich bohrend an. «Phil ippa war so nett, mich aufzuklären.»
Ich versuche, mich so natürlich wie möglich zu geben, obwohl |208| ich weiß, dass Alice wahrscheinlich irritiert und sauer und gekränkt ist, weil ich ihr das verschwiegen habe. Ich spüre, wie
sich meine Wangen verfärben.
«Alice, das ist Mick», sage ich. «Mick, Alice.»
Mick lächelt. «Tag.»
«Du spielst Schlagzeug?», fragt Alice.
«Genau.»
«Ich find Schlagzeug ein tolles Instrument, echt super. Aber wie du gespielt hast, kann ich eigentlich gar nicht sagen. Du
bist mir da oben nicht mal aufgefallen. Tut mir leid. Aber es hat mir ja auch keiner verraten, dass du Katherine kennst. Ich
wusste nicht
Weitere Kostenlose Bücher