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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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tun, ist Zeitung lesen.«
    Roth, der ein ziemlich bodenständiger, aber nicht unsympathischer Zeitgenosse war, versuchte mich zu trösten, indem er erklärte, dass Harry wegen des Verlusts von Goose Cove sicherlich sehr durcheinander war und sich bestimmt viel besser fühlen würde, wenn die Polizei den Schuldigen geschnappt hätte. Was diesen Punkt betraf, hatten die ermittelnden Beamten übrigens eine ernst zu nehmende Spur: Am Tag nach dem Brand hatten sie bei einer gründlichen Durchsuchung der näheren Umgebung am Strand einen im Gestrüpp versteckten Benzinkanister gefunden, auf dem ein Fingerabdruck sichergestellt werden konnte. Aber leider hatte ein Abgleich mit der Datenbank der Polizei keinerlei Übereinstimmung ergeben, und Gahalowood war der Meinung, dass es ohne weitere Hinweise schwer werden dürfte, den Täter aufzuspüren. Dem Sergeant zufolge handelte es sich vermutlich um einen vollkommen rechtschaffenen, bis dato unbescholtenen Bürger, der nie wieder auffällig werden würde. Aber er ging trotzdem davon aus, dass man den Täterkreis auf eine Person aus der Gegend einengen konnte, genauer gesagt, auf jemanden aus Aurora, der die Tat am helllichten Tag begangen und sich des belastenden Beweisstücks aus Angst, von zufällig vorbeikommenden Spaziergängern erkannt zu werden, schnellstens entledigt hatte.
    Mir blieben sechs Wochen, um das Ruder herumzureißen und aus meinem Buch ein gutes Buch zu machen. Es war an der Zeit, zu kämpfen und endlich der Schriftsteller zu werden, der ich sein wollte. Die Vormittage widmete ich meinem Buch, nachmittags arbeitete ich gemeinsam mit Gahalowood an dem Fall. Er hatte meine Suite in einen Ableger seines Büros umfunktioniert und spannte die Hotelpagen dafür ein, kistenweise Zeugenaussagen, Berichte, Zeitungsausschnitte, Fotos und Unterlagen aus dem Archiv hin und her zu schleppen.
    Wir fingen noch einmal ganz von vorn an: Wir lasen sämtliche Polizeiberichte erneut und gingen alle Zeugenaussagen von damals durch. Wir zeichneten eine Karte von Aurora und Umgebung und berechneten die Entfernung vom Haus der Kellergans bis Goose Cove sowie von Goose Cove zur Side Creek Lane. Gahalowood begab sich vor Ort, um herauszufinden, wie lange man für jede Strecke zu Fuß und mit dem Auto benötigte, und überprüfte sogar die damaligen Reaktionszeiten der örtlichen Polizei, die sich als sehr kurz erwiesen.
    »An Chief Pratts Arbeit gibt es eigentlich nichts auszusetzen«, sagte er zu mir. »Die Ermittlungen wurden sehr professionell durchgeführt.«
    »Was Harry angeht, wissen wir jetzt, dass die Widmung auf dem Manuskript nicht von seiner Hand stammt«, sagte ich. »Warum wurde Nola dann aber in Goose Cove vergraben?«
    »Weil der Täter dabei nicht gestört werden wollte«, mutmaßte Gahalowood. »Sie haben mir gesagt, Harry hätte überall herumerzählt, dass er für einige Zeit aus Aurora wegmüsse.«
    »Das stimmt. Demnach wusste der Mörder, dass Harry nicht zu Hause war.«
    »Möglich. Aber eines müssen Sie zugeben: Es ist ziemlich erstaunlich, dass Harry bei seiner Rückkehr nicht aufgefallen ist, dass jemand in der Nähe seines Hauses ein Loch gegraben hatte …«
    »Er war nicht ganz bei Sinnen«, gab ich zu bedenken. »Er war krank vor Sorge, am Boden zerstört. Er wartete die ganze Zeit auf Nola. Da kann man schon mal ein Häuflein frisch umgegrabener Erde übersehen, noch dazu in Goose Cove. Sobald es ein wenig regnet, verwandelt sich dort alles in eine Schlammwüste.«
    »Da mögen Sie recht haben. Der Mörder weiß also, dass ihn in Goose Cove niemand stören wird. Und sollte die Leiche je gefunden werden – wen wird man beschuldigen?«
    »Harry.«
    »Bingo, Schriftsteller!«
    »Aber was soll dann diese Widmung?«, fragte ich. »Warum hat er Adieu, allerliebste Nola auf das Manuskript geschrieben?«
    »Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage, Schriftsteller. Und zwar für Sie, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
    Unser Hauptproblem bestand darin, dass unsere Spuren in alle möglichen Richtungen führten. Mehrere dringliche Fragen waren nach wie vor ungelöst.
    Gahalowood notierte sie auf großen Blättern:
    – Elijah Stern:
Warum bezahlt er Nola dafür, dass sie sich malen lässt? Mordmotiv?
    – Luther Caleb:
Warum malt er Nola? Warum treibt er sich in Aurora herum? Mordmotiv?
    – David und Louisa Kellergan:
Haben sie ihre Tochter zu brutal geschlagen?
Warum halten sie Nolas Selbstmordversuch und ihr Ausreißen nach Martha’s Vineyard

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