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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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Gründe. Um es klar zu sagen: Die kleine Kellergan ist drei Monate nach seiner Ankunft in Aurora verschwunden. Merkwürdiger Zufall, oder? Und was für ein Auto fuhr er damals? Einen schwarzen Chevrolet Monte Carlo! Aber wir hatten nicht genug gegen ihn in der Hand. Im Grunde ist dieses Manuskript der Beweis, nach dem wir vor dreiunddreißig Jahren gesucht haben.«
    »Ich glaube das nicht. Nicht Harry! Außerdem: Warum hätte er einen so schwerwiegenden Beweis bei der Leiche lassen sollen? Und warum hätte er die Gärtner ausgerechnet an der Stelle graben lassen sollen, an der er angeblich eine Leiche verscharrt hat? Das ist nicht schlüssig.«
    Travis zog die Schultern hoch. »Vertraue auf meine Erfahrung als Polizist: Man weiß nie, wozu Menschen fähig sind. Vor allem die, die man gut zu kennen glaubt.« Mit diesen Worten stand er auf. »Wenn ich irgendetwas für dich tun kann, lass es mich wissen«, sagte er noch, bevor er ging.
    Pinkas, der die Unterhaltung kommentarlos verfolgt hatte, rief ungläubig: »Na, so was! Ich wusste gar nicht, dass die Polizei Harry damals verdächtigt hat.«
    Ich erwiderte nichts darauf, sondern riss lediglich die Titelseite von der Zeitung und steckte sie ein. Dann machte ich mich, obwohl es noch zeitig war, auf den Weg nach Concord.

    Das staatliche Männergefängnis von New Hampshire liegt nördlich von Concord in der North State Street 281. Von Aurora kommend, fährt man hinter dem Capitol-Einkaufszentrum vom Highway 93 ab, biegt am Holiday Inn in die North Street ein und folgt ihr etwa zehn Minuten. Nach dem Friedhof von Blossom Hill und einem kleinen, hufeisenförmigen See in Flussnähe kommt man schließlich an langen Drahtzäunen und Stacheldrahtspulen vorbei, die schon jeden Zweifel ausräumen, und kurz darauf kündigt dann ein Schild das Gefängnis offiziell an, und man erblickt nüchterne rote, von einer dicken Schutzmauer umgebene Backsteingebäude und gleich darauf die Gittertore des Haupteingangs. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein Autohändler.
    Roth erwartete mich auf dem Parkplatz. Er rauchte eine billige Zigarre und machte einen gelassenen Eindruck. Zur Begrüßung gab er mir einen Klaps auf die Schulter, als wären wir alte Freunde.
    »Zum ersten Mal im Gefängnis?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Machen Sie sich locker.«
    »Wer sagt Ihnen, dass ich das nicht bin?«
    Er deutete auf ein Rudel Journalisten, die in unserer Nähe herumlungerten.
    »Die sind überall«, sagte er. »Antworten Sie bloß nicht auf deren Fragen. Das sind Aasfresser, Goldman. Die nehmen Sie so lange in die Zange, bis Sie ein paar pikante Details ausspucken. Bleiben Sie standhaft, und schweigen Sie. Selbst die kleinste Äußerung von Ihnen könnte, wenn man sie böswillig auslegt, gegen uns verwandt werden und meine Verteidigungsstrategie ins Wanken bringen.«
    »Wie lautet denn Ihre Strategie?«
    Er sah mich ernst an. »Alles leugnen.«
    »Alles?«, fragte ich.
    »Alles: das Verhältnis, die Entführung, die Morde. Wir werden auf nicht schuldig plädieren. Ich werde für Harry einen Freispruch erwirken und bin fest entschlossen, den Staat New Hampshire auf Schadenersatz in Millionenhöhe zu verklagen.«
    »Und was ist mit dem Manuskript, das die Polizei bei der Leiche gefunden hat? Und mit Harrys Eingeständnis, dass er ein Verhältnis mit Nola hatte?«
    »Das Manuskript beweist gar nichts! Schreiben ist nicht Töten. Außerdem hat Harry erklärt – und diese Erklärung klingt plausibel –, dass Nola das Manuskript mitgenommen hat, bevor sie verschwunden ist. Und was ihr Techtelmechtel angeht: na ja, eine kleine Romanze eben … Das ist nichts Verwerfliches. Und erst recht kein Verbrechen. Sie werden sehen, der Staatsanwalt wird ihm nichts nachweisen können.«
    »Ich habe mit dem Polizeichef von Aurora, Travis Dawn, gesprochen. Er hat mir erzählt, dass Harry damals verdächtigt wurde.«
    »Schwachsinn!«, schimpfte Roth, der leicht ausfällig wurde, wenn er sich ärgerte.
    »Offenbar fuhr der Tatverdächtige damals einen schwarzen Chevrolet Monte Carlo. Und Travis sagt, dass Harry genau dieses Modell besessen hat.«
    »Doppelter Schwachsinn!«, legte Roth nach. »Aber nützlich zu wissen. Gut gemacht, Goldman, das ist genau die Art von Informationen, die ich brauche. Übrigens: Da Sie diese ganzen Bauerntrampel aus Aurora kennen, horchen Sie die Leute doch mal ein bisschen aus, damit wir wissen, was für Geschichten sie den Geschworenen auftischen, wenn sie im Prozess

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