Die Wahrheit über Geld - Wie kommt unser Geld in die Welt und wie wird aus einem Kleinkredit ein großer Finanzcrash (German Edition)
entsprach. Eine solche Währung aber noch Euro zu nennen, wäre wohl vermessen.
Und wie auch immer der Euro im Einzelnen auseinanderbrechen wird, es wird nicht ohne Spannungen über die Bühne gehen. Auch in Deutschland wird es höchstwahrscheinlich eine heftige Anpassungskrise mit steigender Arbeitslosigkeit geben, da die hier geltende Währung plötzlich aufwerten dürfte. Dies wird deutsche Waren und Dienstleistungen für Ausländer mit einem Schlag teurer machen und die Nachfrage nach „made in Germany“ drücken. Allerdings wird sich damit nur jener Druck entladen, den der Euro selbst im Lauf der Jahre dadurch aufgebaut hat, dass das Ventil der Wechselkurse fehlte.
Wegen dieses fehlenden Ventils litten zum Beispiel die südlichen Euroländer unter der Finanzkrise wesentlich stärker und länger als wir, weil für sie zusätzlich zur Krise noch eine zu starke Währung kam. Für unsere Verhältnisse war der Euro dagegen eher zu schwach und sorgte deshalb hierzulande für eine exportgetriebene Sonderkonjunktur. Hätte es dagegen das Wechselkursventil gegeben, wäre bei uns etwas Luft weggenommen und den Südländern dafür mehr Luft gegeben worden – Spannungen hätten sich rechtzeitig abgebaut. Da es das Ventil aber nicht mehr gibt, können solche Verzerrungen erst mit dem Eurozerfall wieder aufgelöst werden.
Selbst wenn also Deutschland vorübergehend zu den Leidtragenden gehören wird, brauchen wir uns vor dem Euro-Aus nicht übermäßig zu fürchten. Dieses Ende wird nämlich zu einer Normalisierung der Verhältnisse führen. Wer Weisheitszähne gezogen bekommt, kennt das: Je nachdem, wie schwer die Operation verläuft, kann man noch Tage danach mit dicker Backe und höllischen Schmerzen darniederliegen. Die meisten Leute unterziehen sich dieser Tortur trotzdem, weil sie wissen, dass die Pein auf Dauer viel größer wäre, wenn die Zähne im Mund blieben. Ähnlich wird es einmal sein, wenn der faule Zahn Euro gezogen wird.
Und deshalb greifen auch diejenigen daneben, die uns als Untergangspropheten bezeichnen, nur weil wir den Eurozerfall voraussehen. Das Gegenteil ist richtig: Wo faule Zähne gezogen werden, ist der Untergang weit entfernt.
Dennoch schüren Politiker gerne die Angst vor dem Euro-Aus – und sei es auch nur mit dem Hintergedanken, neue Rettungsmilliarden lockerzumachen (siehe Angela Merkel). Dabei werden nicht nur die wirtschaftlichen Folgen in düstersten Farben gemalt, sondern auch die politischen. Unvergessen zum Beispiel ist Merkels Parole, mit der sie jahrelang durch die Lande zog: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa!“
Wir zweifeln dagegen überhaupt nicht daran, dass Deutschland auch nach dem Euro wieder genauso erquicklich mit seinen EU-Partnern zusammenarbeiten wird wie in den Jahren vor dem Euro. So geschieht es im Übrigen jetzt noch mit denjenigen Partnern, die den Euro nicht eingeführt haben, oder mit Nachbarn, die gar nicht zur EU gehören, wie die Schweiz oder Norwegen.
Vielleicht wird sogar umgekehrt ein Schuh daraus: Vielleicht bringt gerade der Euro Europa erst an den Rand des Scheiterns – durch den Zwist, den er zwischen den Ländern sät. Die Tatsache, dass Europa unverdrossen zusammenwuchs, solange es den Euro noch nicht gab, ist dafür zumindest ein Indiz.
Je mehr die Politiker also heute dramatisieren, desto mehr müssen sie später wieder zurückrudern, wenn sie dem Volk klarmachen müssen, dass es auch ohne den Euro gehen wird. Dann werden sie die gleiche Erkenntnis zu verbreiten haben wie einst der Fußballtrainer Dragoslav Stepanović, der nach einer verlorenen Meisterschaft seine inzwischen legendär gewordene Lebensweisheit verkündete: „Lebbe geht weider.“
Vielleicht wird das Euro-Aus sogar Anlass dafür sein, sich zurückzubesinnen auf das, was man wirklich will in Europa. Will man sich tatsächlich das Jawort geben, will man also die politische Union in letzter Vollendung? Wenn ja, dann sollte man sich zuerst daranmachen, dieses Projekt zu verwirklichen. Erst danach wäre es Zeit für eine gemeinsame Kasse und eine europäische Währung – eine Art Euro II.
1 Genauso unsinnig wäre übrigens die umgekehrte Variante: ein Euroaustritt ohne Bankrott. Dann hätte man auf der einen Seite eine schwache Währung, auf der anderen Seite aber nach wie vor einen riesigen Schuldenberg in einer starken Währung. Die Schuldenlast wäre damit so erdrückend, dass sie früher oder später sowieso zum Bankrott führen würde
.
2 Zwar gibt es auch
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