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Die Wand der Zeit

Die Wand der Zeit

Titel: Die Wand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Bruce
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etwas von tief drinnen den Kopf heraus und zeigt sich, wie in den Gestalten meiner Fantasie, die aus dem Erdinnern hinaus in den Rauch klettern. Man wird krank bei dem Gedanken, was da gewesen sein könnte.
    Sind andere uns vielleicht näher, als wir meinen? Wir haben viel erforscht, aber es gab immer noch mehr zu sehen. Vielleichtsind sie uns entgangen. Das denke ich oft. Unberührt von unserem Fluch, ein Dorf mit grünem Gras, rauchenden Schornsteinen, wohlgenährten Kindern, die singen.
    Mein Volk schien Angst zu haben vor der Suche, den Ruinen, dem zu entdeckenden Neuen. Es gab Anzeichen dafür, doch die übersah ich geflissentlich. Meine Geschichten fielen auf taube Ohren. Kaum jemand wollte etwas von den Ruinen hören, den Bildern, die ich fand, halb im Sand vergrabenen seltsamen Geräten. Einmal zogen wir durch einen Wüstenstreifen. Wir wanderten auf einen vermeintlichen Baum in der Ferne zu. Es war eine Steinsäule. Eine Tür an ihrem Sockel führte in die Tiefe. Meine Männer wichen zurück. Ich fragte, wer freiwillig mit mir hinabsteigen würde. Alle ließen die Köpfe hängen. »Dann geh ich allein. Damit ihr seht, dass da nichts zu befürchten ist.« Ich nahm mir eine Fackel. Einer bat mich, zu bleiben. Er packte mich sogar am Arm. Ich stieß ihn fort und befahl ihnen, das Lager aufzuschlagen.
    Ich stieg die Steintreppe hinab. Der Fackelschein zuckte über die Wände. Trotz der warmen Fackel war es kühl unter der Erde. Der verwinkelte Gang führte immer tiefer hinunter. Ich markierte meinen Weg mit einem Stein. Nach langer Zeit kamen sie in Sicht. In die Wände eingelassene Borde. Auf jedem Bord ein Toter, manche in Tücher gewickelt, andere nicht. Ich ging tiefer in die Höhle hinein. Hunderte und Aberhunderte, vom Boden an bis über Kopfhöhe auf beiden Seiten.
    Schließlich gelangte ich zu einer runden Kammer. Auf einer Steinplatte dort ein Metallobjekt in Form eines Kreuzes. In der Kreuzmitte ein roter Stein. Er flackerte im Feuerschein.
    Es war kalt, und ich beeilte mich, wieder nach oben zu kommen. Ich wusste nicht, was ich von dem Ganzen halten sollte, ich war wie betäubt. Selbst für mich verbargen sich da zu viele Geschichten.
    Die Männer oben mochten mir nicht in die Augen sehen. Sie schwiegen. Ich sagte ihnen nicht, was ich gesehen hatte. Erst nach drei Tagen fingen sie sich wieder.
    Später am Nachmittag kehre ich zum Büro des Marschalls zurück, diesmal allein. Eine ganze Zeit lang klopfe ich an, warte und rufe. Einmal trete ich gegen die Tür. Als die Sonne untergeht, gehe ich. An mir kommt der Marschall nicht vorbei. Ich werde sagen, was ich zu sagen habe.
    Zu Elba gehe ich allein. In der Siedlung gehen die Lichter an und die Vorhänge zu, sodass kaum Licht auf die Straße fällt. Gestalten schieben sich an den Lichtern, den geschlossenen gelben Vorhängen vorbei, schweben wie Gespenster, entschweben ins Dunkel. Ich spüre, dass noch mehr da sind, noch mehr Gestalten sich möglichst geräuschlos hinter den Mauern bewegen.
    Keine Toten also.
    Ich gehe den langen Weg zu ihrer Wohnung und sehe kaum Leute draußen. Ich komme zu einer Stelle an der Mauer, wo man zum Wehrgang hinaufsteigen kann. Normalerweise wird der Zugang bewacht, aber jetzt ist niemand da. Die Tür ist nur geschlossen, nicht abgesperrt. Ich öffne den Riegel und steige die schmale Treppe hinauf. Hier war ich früher schon öfter, meistens abends, an stillen Sommerabenden. Wie ich jetzt über die Stadt, die stille, dunkle Stadt hinschaue, kann ich sie ganz sehen. Ich sehe das Rathaus. Ich sehe die Mauern und die grauen Holzbauten, die schon so lange stehen, die Architektur eines Volkes mit wenig Fantasie, wenig Entschlossenheit, seine Lage zu verbessern. Ich weiß noch, ich war hin- und hergerissen zwischen väterlichen Gefühlen – dem Wunsch, dieses Mischvolk zu schützen – und Wut über den Mangel an Fantasie, den fehlenden Willen, etwas Ungewöhnliches zu tun, etwas Besondereszu sein. Das Versagen der Einbildungskraft. Manchmal machte es mich wütend, dass es mir als stärkerem Kopf überlassen blieb, diese einfachen Menschen zu führen, mir ein Leben für sie auszudenken, etwas wie Ordnung in ihr Dasein zu bringen. Lohnte sich das? Einen Wilden gerettet zu haben ist vielleicht kein so großes Verdienst.
    Eine Zeit lang hatten sie allerdings andere Vorstellungen. Aber glaubten sie wirklich daran, oder stand nur Eigennutz dahinter? Ich befürchte Letzteres. Andererseits kam auch mir, wenn ich nachts wach lag,

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