Die Wanderbibel
Moos?
Mein erster Viertausender
»Jeder anständige Wanderer, der etwas auf sich hält, sollte einmal im Leben einen Viertausender in den Alpen bestiegen haben.« Mit diesem oder einem ähnlichen Spruch hatten mich in den vergangen Jahren schon viele meiner Wanderfreunde genervt. Mein alter Studienkollege Christian, ein glühender Alpinist, aber zugleich auch ein enthusiastischer Leser einschlägiger Boulevardmagazine (ja, das geht offensichtlich), verstieg sich sogar zu der Aussage, als Alpenfreund nie auf dem Gipfel eines Viertausenders gestanden zu haben, wäre ja wohl dasselbe, wie in Hollywood zu leben, ohne jemals Sex mit Paris Hilton gehabt zu haben. Mit Paris Hilton wollte ich nichts anfangen, aber ein Viertausender, das erschien mir schon ziemlich verlockend.
Ich hatte zwar in den ecuadorianischen Anden zwei Viertausender bestiegen, aber irgendwie zählt das nicht so richtig. Mit der Besteigung eines vergletscherten Alpen- Viertausender lässt sich das nämlich überhaupt nicht vergleichen.
So führt zum Beispiel ein Aufstieg auf den immerhin 4200 Meter hohen Pasochoa fast ausschließlich über sanft ansteigende Wiesen und Weiden. Lediglich die letzten hundert Meter wird es felsig. Es sind nur das allgegenwärtige Pampasgras und natürlich auch die Höhe, die eine Pasochoa-Gipfeltour von einer gemütlichen Mittelsgebirgswanderung unterscheiden.
Und wenn man dann nach rund drei Stunden, na ja sagen wir mal, Trekking, ganz oben ist, kann man kaum glauben, dass man auf dem Gipfel eines Viertausenders steht.
Schon ein etwas anderes Kaliber ist der Rucu Pinchin cha, der Hausberg der ecuadorianischen Hauptstadt Quito. Mit einer Hohe von 4698 Metern ist der Rucu Pinchincha, der von Extrembergsteigern gerne als »Akklimatisationsberg« für eine spätere Besteigung des Cotopaxi (5897 Meter) oder gar Chimborazo (6310 Meter) genutzt wird, gerade mal hundert Meter niedriger als der Mont Blanc. Aber eben auch ein Berg, den ein gut trainierter Wanderer locker als schöne Tagestour bewältigen kann. Zunächst fährt man direkt von Quito aus mit einer Seilbahn namens »Teleférico« auf 4000 Meter, um dann immer leicht ansteigend über einen sich scheinbar endlos ziehenden Wiesenkamm zum Gipfelaufbau zu gelangen. Von dort geht es über Schuttfelder und Fels in leichter Kletterei zum Gipfel.
Doch der europäische Flachlandtiroler bekommt hier die Höhe zu spüren: In 4500 Metern über dem Meeresspiegel zu wandern, ja zu klettern, ist extrem anstrengend. Es fehlt einfach der Sauerstoff.
Auf dem Gipfel, dessen Felsen von zahlreichen Graffitis verunstaltet sind, hat man bei schönem Wetter nicht nur einen atemberaubenden Blick auf die »Straße der Vulkane« mit ihren mächtigen Fünftausendern, sondern natürlich auch auf Quito. Eine Millionenstadt mit eigenem Viertausender, das haben nicht allzu viele Länder zu bieten!
Apropos Höhe: Je höher ein Bergsteiger emporklettert, desto dünner wird die Luft. Schon in 3000 Meter Höhe hat man 40 Prozent weniger Sauerstoff zum Atmen. Und ab der gleichen Höhe droht auch die ge fürchtete Höhenkrankheit. Kopfschmerzen, Appetitverlust, Übelkeit, Erbre chen, Müdigkeit, Atemnot und Schwindel sind die ersten Warnzeichen.
Seit Neustem greifen viele Bergsteiger, die Schwierigkeiten mit der Höhe haben, vermehrt in eine medizinische Trickkiste der besonderen Art. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Potenzpille Viagra nicht nur älteren Männern hilft, die im Bett hoch hinauswollen, sondern auch Bergsteigern bei der Bekämpfung der Höhenkrankheit. Der in den berühmten blauen Pillen enthaltene Wirkstoff Sildenafil senkt nämlich den Lungendruck und verbessert dadurch die Sauerstoffaufnahme.
Eine Tatsache, die der bekannte Journalist und begeisterte Bergwanderer Rüdiger Dilloo in einem Zeitungsartikel so kommentierte: »Mit Viagra geht’s tatsächlich etwas leichter dort oben. Penis und Lunge ähneln sich eben sehr.«
Bei 82 Viertausendern in den Alpen hat man natürlich die Qual der Wahl. »Welches Schweinderl hätten’s denn gerne, das höchste, das leichteste oder das mit der schönsten Landschaft?«
Natürlich habe ich zuerst mit dem Matterhorn geliebäugelt. Für einen Bergsteiger ist dieser Gipfel schließlich zumindest in Europa das Maß aller Dinge, der Berg der Berge, der Berg schlechthin. Das Matterhorn ist zwar weder der höchste noch der gefährlichste, mit Sicherheit aber der berühmteste Berg der Erde. Weltberühmt hat das Matterhorn vor
Weitere Kostenlose Bücher