Die Wanderbibel
sich im September eine Nordostlage einstellt, kommt allerdings nur äußerst selten vor. Ich erinnere mich an unsere vorletzte Tour. Wir stiegen aufs Warther Horn, es war ausnahmsweise schönes Wetter, in der Ferne sahen wir gar das Tinzenhorn im Engadin. Beim Abstieg kamen wir an einer Hütte vorbei. Die Hüttenwirtin beschloss gerade die Saison und trug die Stühle von der Terrasse hinein. Uns waren schon die ungewöhnlich vielen Murmeltiere aufgefallen. Die Wirtin meinte: »So wie sich die Murmeltiere verhalten, gibt es einen langen und kalten Winter.« Recht hatte sie.
Was das jeweils aktuelle Wetter betrifft, so sollte man auf die regionalen Wetterberichte zurückgreifen. Sofern man keinen Zugang zum Internet hat, kann man sich in Deutschland auf die Wettervorhersagen der öffentlich rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender einigermaßen verlassen, der österreichische Rundfunk ist, was die verschiedenen Regionen betrifft, leider weniger präzise. Im Gegensatz zu den vorbildlichen Schweizer Nachrichten, die sehr zuverlässige kleinräumige Prognosen erstellen. Angeblich treffen diese Vorhersagen für die kommenden 36 Stunden mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent der Fälle ein. Der Deutsche Wetterdienst bietet einen telefonischen Wetterbericht für die Alpen an, darunter auch für die bayerischen Regionen und sogar explizit für die Zugspitze. Im Netz finden sich gleich eine ganze Reihe von hinlänglich bekannten Wetterdiensten, aber auch die Internetseiten alpenverein.de oder bergsteiger.de bieten eigene Prognosen. In Österreich füh rend ist der Anbieter www.zamg.ac.at, unschlagbar im Nachbarland ist www.meteoschweiz.ch.
Inzwischen sind fragwürdige Anleitungen zur selbst gemachten Wetterprognose auf dem Buchmarkt, doch selbst mit vielen Jahren Wandererfahrung kann man mit Eigenprognosen leicht hereinfallen, etwa wenn Föhn angekündigt ist. Man sollte dann keine gefährlichen oder längeren Touren unternehmen, während derer der Föhn zusammenbrechen kann. Vor Jahren kamen wir auf die glorreiche Idee, die Sulegg im Berner Oberland von ihrer »Nordseite« her zu besteigen. Unser Schweizer Bekannter meinte, dass das gut möglich sei. Dass sich hinter dem »gut möglich« ein »vielleicht möglich« verbarg, bemerkten wir in der Wand, denn bei dieser »Nordseite« handelt es sich eindeutig um eine »Nordwand« – ein sage und schreibe 1200 Meter hoher, immer steiler werdender Grashang. Im oberen Drittel kamen wir nur auf allen Vieren vorwärts, ein Zurück war aufgrund der Steilheit nicht möglich. Und im Norden drückten die Wolken von einer Bergkette über die nächste. Dass im Süden der Föhn kräftig dagegenhielt, konnten wir nicht sehen. Just in dem Augenblick, als wir den rettenden Gipfelgrat erreichten, schwappte der Nebel über den Grat. Sobald wir in sicherem Gelände waren, fing es an zu regnen, die Sichtweite betrug nun kaum mehr als zwanzig Meter. Nasses Gras in dieser Steilheit wäre eine tödliche Gefahr gewesen. Ein Anfängerfehler, denn die berühmten Föhn fische waren schon am Morgen so dicht am Himmel gesät, begleitet von groben Schäfchenwolken, dass wir besser ins Museum gegangen wären. Außerdem hatte der Höhen messer stark fallenden Luftdruck gezeigt, und zwar schon Tage zuvor.
Dass sich der Föhn gerade in den berühmten Föhngebieten aber auch ewig halten kann, erlebten wir mehrfach. Über unserem kleinen Rundweg am Alpenhauptkamm schien während einer fünfstündigen Wanderung durchweg die Sonne, während es im Rest des Landes, sogar im Nachbartal, bereits in Strömen regnete.
Manche beliebte oder gar volkstümliche Regel zur selbst gemachten Wetterprognose gilt nur in Teilen der Alpen, auch das muss man wissen. Starker Wind entsteht unter anderem deshalb, weil ein Hoch und ein Tief nahe beieinander liegen. Durch die Luftdruckunterschiede entsteht Bewegung in der Luft. Auf der Alpensüdseite haben wir mehrere Tage mit starkem Wind erlebt, ohne dass sich das Wetter nennenswert verschlech tert hätte, lokale Besonderheiten wie der Malojawind, der Talwind des Bergells, sind eher die Regel als die Ausnahme.
Besonders tückisch im Sommer sind Gewitterlagen. Einzelne Hochs und Tiefs sind über Mitteleuropa unregelmäßig verstreut. Es handelt sich dabei um einen ganz typischen Sommer, wie wir ihn fast jedes Jahr erleben. In der Luft ist wenig Bewegung (sprich Wind), die über dem Boden liegende Luft erwärmt sich am späten Vormittag rasch. Aufgeheizte Warmluftblasen steigen
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