Die Wanderhure
ebenfalls. Der Junge gedeiht prächtig und wird nicht mehr lange ein Einzelkind bleiben.«
Marie hob interessiert den Kopf. »Frau Mechthild ist wieder schwanger?«
»Ja, aber man sieht noch nichts. Diesmal wird sie dich aber nicht rufen lassen, denn Herr Dietmar will nichts mehr von einer Ersatzfrau hören.«
Es klang wie eine Warnung. Marie lächelte innerlich. Sie nahm eher an, dass es Frau Mechthild auf die Dauer zu gefährlich war, ihren Mann an die Gesellschaft hübscher Huren zu gewöhnen. Jetzt, wo sie den ersehnten Erben geboren hatte, war ihre Stellung auf Arnstein so gefestigt, dass sie die Mägde vom Bett ihres Gemahls fern halten konnte.
Guda führte Marie in ein kleines, aber aufwändig eingerichtetes Zimmer. Der Boden war aus Eichenparkett, und die Wände unddie Decke hatte man mit Paneelen aus Kiefernholz verkleidet. Das Bett, der Tisch und die Stühle waren aus rötlich schimmerndem Kirschholz geschreinert. An der Wand stand Frau Mechthilds Reisetruhe und daneben die Wiege, in der der Erbe von Arnstein von einer Magd behütet schlief. Durch gelbe Butzenscheiben fiel weiches Licht in den Raum und ließ ihn so hell erscheinen, dass Frau Mechthild, die auf einem der Stühle neben dem Kamin saß, ohne Mühe einen Faden durch das Nadelöhr führen konnte. Ritter Dietmar hatte sich seitlich von ihr niedergelassen und teilte seine Aufmerksamkeit zwischen seinem Sohn und seiner Gemahlin.
Als Marie eintrat, hob Frau Mechthild den Kopf. »Gott zum Gruße, Marie. Das ist aber eine Überraschung.«
Obwohl ihre Worte freundlich klangen, hörte Marie ihre Ablehnung heraus. Auch Ritter Dietmar zeigte deutlich, dass Maries Erscheinen ihm unangenehm war. Anscheinend wollte er nicht an die Zeit mit ihr erinnert werden.
Marie ärgerte sich über den kühlen Empfang. Schließlich wollte sie dem Ritter und seiner Gemahlin helfen, an ihr verlorenes Erbe zu kommen. Sie fiel aber nicht mit der Tür ins Haus, sondern begnügte sich mit einigen höflichen Grußworten und bewunderte wortreich Klein Grimald, um den elterlichen Stolz des Paares zu kitzeln.
»Hat der Wind dich jetzt doch nach Konstanz geblasen?«, fragte Frau Mechthild schließlich.
Sie wollte wissen, wieso die junge Frau es riskiert hatte, trotz dem Vorgefallenen ihre Heimatstadt wieder zu betreten. Anders als auf Burg Arnstein, wo Marie zu ihren engeren Bediensteten gehört hatte, ließ Frau Mechthild sie hier den Unterschied zwischen einer edlen Herrin und einer verachteten Hure fühlen.
Marie breitete die Hände aus. »Da sich alle hohen Herren hier in Konstanz versammelt haben, gab es andernorts kein Auskommenmehr für mich. Also musste ich ebenfalls hierher kommen. Und um ehrlich sein, hoffte ich auch, hier auf Euch zu treffen.«
Frau Mechthild hob die linke Augenbraue. »Du wolltest zu uns? Du hast wohl erfahren, dass ich wieder schwanger bin, und willst uns deine Dienste anbieten. Aber diesmal haben wir keinen Bedarf.«
Die Dame machte ein so abweisendes Gesicht, als wolle sie den ungebetenen Gast auf der Stelle hinauswerfen lassen.
»Nein, es geht um etwas anderes«, antwortete Marie hastig. »Ich habe …«
Sie brach ab, denn sie hätte beinahe verraten, dass sich Ritter Otmars verschollenes Testament in ihrem Besitz befand. Doch den Trumpf wollte sie vorerst nicht aus der Hand geben.
»Habt Ihr schon erfahren, dass Junker Philipp ermordet worden ist?«, fragte sie stattdessen.
Ritter Dietmar brummte ein »Ja«, und Frau Mechthild nickte wortlos.
»Man verdächtigt meinen Oheim«, fuhr Marie fort. »Er war es jedoch nicht, und das werde ich auch beweisen können. Doch ich brauche Freunde, die von den Behörden und dem Richter angehört werden.«
Frau Mechthild maß Marie mit einem verächtlichen Blick. »Da hat dich dein Weg ins falsche Haus geführt. Zum einen ist die Beweislast gegen den Mörder so erdrückend, dass es niemand anders gewesen sein kann, und zum Zweiten werden wir Ritter Degenhard von Steinzell nicht dadurch gegen uns aufbringen, dass wir uns für den Mörder seines Sohnes verwenden.«
»Onkel Mombert hat Junker Philipp nicht umgebracht. Es war eine der Intrigen des Magisters Ruppertus Splendidus, der ebenso Euer Feind ist wie der der Steinzeller Sippe.« Maries Stimme klang nicht weniger heftig als die der Edeldame, aber es gelang ihr nicht, sie zu überzeugen.
»Du hoffst wohl immer noch, du könntest uns gegen den Keilburger und seinen Bruder aufhetzen, um dich an dem Magister zu rächen. Doch ich bin nicht
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