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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Passanten und erhielt einen heftigen Stoß, der sie gegen den Bug eines Pferdes prallen ließ. Das Tier bäumte sich wiehernd auf und schlug mit den Vorderhufen nach ihr. Marie versuchte noch auszuweichen, bekam jedoch einen Huftritt gegen die Schulter und stürzte unter dem Lachen einiger Gaffer in den Straßenstaub. Für einen Augenblick sah es so aus, als würde das Pferd sie zu Tode trampeln, doch dann hatte der Reiter es wieder in der Gewalt.
    Marie stand auf und blickte in ein lachendes, von einem gepflegten blonden Bart umrahmtes Gesicht, das auf sie herabsah. Der Mann, der ihr eben die rechte Hand entgegenstreckte, trug ein vor Gold- und Silberstickereien strotzendes Wams mit dem Hirsch von Württemberg.
    »Wenn du nicht die hübsche Hure von Burg Arnstein bist, soll mich der Teufel holen.« Graf Eberhards Blick glitt über Maries Formen, und er spitzte den Mund, als wolle er sie auf der Stelle an sich ziehen und küssen.
    »Du kommst doch mit mir?« Es klang wie ein Befehl.
    Marie nickte verwirrt, während ihre Gedanken Purzelbäume schlugen. Eberhard von Württemberg war kein Freund des Keilburgers und würde ein weitaus mächtigerer Verbündeter sein als die Arnsteiner. Sie schwor sich, den Grafen zu ihrem Helfer zu machen, und wenn sie ihm dafür auf jede Art zu Diensten sein musste, die sich die Phantasie eines Mannes ausmalen konnte.

SECHSTER TEIL
     
Der Aufstand der Hiibschlerinnen

I.
    D as Haus am Ziegelgraben war so voll, dass keine Maus mehr darin Platz gefunden hätte. In den beiden Kammern im Erdgeschoss standen die Huren dicht an dicht, und ein paar der Frauen waren in Maries Zimmer hochgestiegen und steckten ihre Köpfe zur Tür hinaus, um zu hören, was unten gesagt wurde. Trotzdem konnte das Haus nicht einmal die Hälfte der anwesenden Hübschlerinnen fassen, und so hatte Madeleine Fenster und Türen aushängen lassen, damit man sie auch draußen noch hören konnte. Sie selbst thronte auf dem mit Binsen abgedeckten Herd in Hiltruds Zimmer. Um alle mit in die Diskussion einzubeziehen, wiederholten die Huren, die vor dem Fenster standen, Madeleines Worte für die weiter hinten Versammelten.
    Marie schätzte, dass an die hundert Hübschlerinnen zusammengekommen waren. Gemessen an der Zahl der in Konstanz arbeitenden Huren war das nicht viel, doch die meisten waren im Auftrag einer größeren Gruppe von Freundinnen hier erschienen, um ihrem Unmut über die Zustände in der Stadt Luft zu machen. Madeleine hörte sich die Beschwerden jeder Frau an und fragte immer wieder nach, ob dieser oder jener Punkt auch von den anderen bestätigt werde.
    Als sich keine mehr zu Wort meldete, hob sie die Hand. »Wir sind uns also einig, dass es so nicht weitergehen kann.«
    Eine erst vor kurzem zugezogene Hure, die mehr aus Neugier als wegen begründeter Beschwerden gekommen war, schüttelte den Kopf. »Was heißt hier einig? Ich habe von all diesen Dingen bisher noch nichts bemerkt. Was ist so schlimm daran, wenn sich eine Hand voll einheimischer Mägde ein paar Groschen nebenbeiverdienen? Meine Kammer blieb gestern nicht leer und vorgestern auch nicht. Diese Jammerei ist doch reine Zeitverschwendung. Wenn ich daheim geblieben wäre, hätte ich ein halbes Dutzend Kunden abfertigen können.«
    Andere Huren reagierten gereizt und beschimpften die neue. Madeleine bat sie, still zu sein, und sah die Frau kopfschüttelnd an. »Anscheinend hast du nicht richtig zugehört. Es geht hier nicht um zwei, drei Mägde. Der größte Teil des weiblichen Dienstpersonals und auch viele der ärmeren Ehefrauen bieten sich Kriegsknechten und barfüßigen Mönchen für ein paar Pfennige an. Auch etliche Bürgersfrauen und deren Töchter finden nichts mehr dabei, ihre Beine für blanke Schillinge für Ritter und Prälaten zu spreizen. Gewiss haben die Pfennighuren draußen in den Auen am meisten mit der unlauteren Konkurrenz zu kämpfen. Aber auch uns nehmen die so genannten ehrbaren Frauen einen Teil des Verdienstes weg und verderben außerdem die Preise. Welcher Mann ist noch bereit, einer Hübschlerin den ihr zustehenden Lohn zu zahlen, wenn er es in einer dunklen Ecke billiger haben kann? Überleg doch einmal: Als Hure musst du einen vielfach überhöhten Mietpreis für dein Zimmer zahlen, selbst wenn du kaum etwas verdienst, und wenn du bei einem Hurenwirt arbeitest, bekommst du Schläge, wenn du nicht genug einnimmst.«
    Kordula drängte sich nach vorne und blieb vor der Neuen stehen. »Vor allem aber sehe ich nicht ein,

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