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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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kletterten sie die Stiege zur Schankstube hinunter. Vom Wirt war nichts zu sehen. Vaclav und Friedl gönnten sich jeder noch ein Bier. Arigund ließ verstohlen einen nicht gegessenen Kanten Brot in ihrem Rock verschwinden. Zwei der Würfelspieler lagen auf dem verdreckten Fußboden und schliefen ihren Rausch aus. Vorsichtig stieß Vaclav sie mit dem Fuß an. Die beiden Diebe grinsten und leerten den Burschen die Taschen. Viel war allerdings nicht zu holen. Die beiden waren ganz offensichtlich die Verlierer des Abends gewesen.
    »Und du«, raunte Vaclav zu Arigund gewandt, »gehst in die Küche und schaust, ob für uns was zu finden ist.« Die junge Frau zögerte. Den alten Brotkanten hätte sowieso niemand mehr gegessen, aber sich an den Vorräten des Wirtes vergreifen? Sie hatte noch nie gestohlen.
    »Mach schon!«, drängte Vaclav. »Wer weiß, wann wir wieder eine solche Gelegenheit bekommen.«
    Rüde wurde sie vorwärtsgeschubst. Arigund spähte in den kleinen Raum, der als Vorratskammer diente. Viel war auch da nicht zu holen: ein paar Eier, eine Scheibe Speck, zwei Laib Brot. Hastig packte die junge Frau alles in ihr Tuch. Darin befanden sich immer noch die Münzen, die sie beim Singen »verdient« hatte. Entschlossen legte sie das Geld an die Stelle, wo sich das Brot befunden hatte. Gewiss war das nicht genug, doch zumindest gab es ihr das Gefühl, keine Diebin zu sein.
    Ihre Begleiter warteten draußen vor der Tür. Vaclav hatte sich den Mantel des einen Spielers geschnappt, Friedl die Lederschuhe des anderen. Sie waren ihm viel zu groß und hatten ein dickes Loch an der Ferse. Trotzdem schien der Junge glücklich über seinen Fang. Vaclav warf einen wohlwollenden Blick auf Arigunds Beute, klopfte ihr auf die Schulter und sagte: »Na bitte, die edle Dame lernt langsam, dass das Essen nicht vom Himmel fällt. Jetzt aber schnell, bevor sich da drin was zu rühren beginnt.«
    Zügig schritt der junge Mann voran. Arigund hastete ihm nach. »Vaclav, warte«, keuchte sie. »Sag, warum mussten wir gestern so schnell den Markt verlassen?«
    Der Räuber winkte ab, doch Arigund war nicht bereit nachzugeben.
    »Bitte, war es wegen mir? Hat mich ein Späher aus Brennberg erkannt?«
    Sie bekam ein belustigtes Grinsen zur Antwort. »Glaubst du wirklich, du seist von solcher Bedeutung, dass dein gehörnter Gatte dir bis ins Böhmische nachsetzt?«, spottete Vaclav. »Sei beruhigt. Nicht dir drohte Gefahr, sondern unserm werten Friedl.« Die letzten Worte rief der Räuber laut über die Schulter, wo sein Kumpan schleppend und mit schmerzverzerrtem Gesicht hinter ihnen herhumpelte. »Er hat nämlich mal wieder nicht nachgedacht und seine flinken Finger an einem Ritter versucht. Um ein Haar hätt’ ihm der dafür die Hand abgeschlagen. Dann wär’s vorbei gewesen mit dem lustigen Leben. Stimmt’s, Friedl?«
    Statt einer Antwort spuckte der in den Schnee. Nicht ohne Sorge entdeckte Arigund ein hasserfülltes Glitzern in Friedls Augen. Als ihm bewusst wurde, dass sie ihn beobachtete, senkte er sofort wieder den Kopf.
    »Wie weit ist es noch bis zur Hauptstadt?«, wollte die junge Frau wissen.
    »Wenn wir uns ranhalten, können wir zum Christfest da sein.«
    »Und dann?«
    »Dann werden wir sehen, ob unser Goldesel wirklich nur Bricklebit sprechen muss, dass die Taler klimpern. Wenn nicht, gibt es genug Hurenwirte, die mir ein ordentliches Sümmchen für ein hübsches Singvögelchen wie dich bieten.«
    Arigund wurde blass, sagte aber nichts. Sie dachte an den Mann mit den fauligen Zähnen und Reimar, von dem sie in letzter Zeit wieder häufiger träumte.

*
    Der Abschied von ihren Gastgebern fiel herzlich aus. Der Ritter erhielt sogar noch ein Empfehlungsschreiben an einen Verwandten in Prag, sodass er sich nicht um Unterkunft sorgen musste, falls er wider Erwarten nicht sofort freundliche Aufnahme bei Hofe finden würde. Die beiden Reisenden wollten sich einer Gruppe von Kaufleuten anschließen, die auf dem Weg zur Hauptstadt war und einen Ritter, der das Schwert zu führen wusste, gerne in ihre Gesellschaft aufnahm. Doch bevor sie ihre Pferde zum Treffpunkt lenkten, überquerten sie erneut den Marktplatz und spähten nach der Alten aus. Obwohl es noch eine Weile bis zur Markteröffnung dauern würde, herrschte bereits reges Treiben. Lastkarren versperrten die schmalen Gassen, sodass es nur langsam vorwärtsging. Die Bauern schimpften, weil sie den Reitern Platz machen sollten; mehr als einmal überzeugte sie erst der Griff

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