Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
hatten sogar ein zusätzliches Maultier erwerben müssen, um all die Kleinigkeiten transportieren zu können, mit denen sich der Junge zusehends belastete. Schon wollte sich der Ritter abwenden, als er Jakob fortfahren hörte: »Aber wenn du mir Bescheid gibst, wo ich dich finde, und wenn du bereit wärst, deine Künste an feinerem Tuch zu erproben, so würde ich dir einen unserer Agenten schicken, der dir deine Ware abnimmt. Vorerst möchte ich dir nur dies kleine Deckchen als Muster abkaufen.«
Die Alte nannte einen viel zu hohen Preis, den Jakob ohne Feilschen zu akzeptieren schien, denn seine Hand fuhr in die Tasche. Heinrich rollte mit den Augen. Ob aus diesem Knaben je ein erfolgreicher Kaufmann werden würde? Dann, gerade als die Alte zugreifen wollte, schloss sich noch einmal die Faust des Jungen. Die Alte sah erstaunt hoch.
»Ich knüpfe jedoch eine Bedingung daran. Heute Nachmittag hat dort drüben eine junge Frau gesungen. Ich möchte wissen, wer sie ist und wo ich sie finde.«
»Viel Gaukler war da heut’«, murmelte die Alte.
Auffordernd sah Jakob seinen Ritter an. Hätte er sich doch denken können, dass sein Schützling nicht aufgab. Seufzend beschrieb er die Sängerin.
»Morgen früh, gleich zu Marktbeginn, werde ich wieder da sein. Kannst du mir Auskunft geben, so werden wir wohl ins Geschäft kommen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich Jakob um und eilte der Straße zu, in der sie ihr Nachtquartier gefunden hatten.
K APITEL 23
Vaclav trieb die kleine Gruppe an wie ein Hirte die Herde, vorbei an den niedrigen Lehmhütten, die so dicht am Boden errichtet waren, als wären sie nicht mehr als Höhlen. Der Räuber hatte Friedl, der kaum weniger hungrig war als Arigund, nicht einmal erlaubt, sich an einem unternehmungslustigen Huhn zu vergreifen, das in einen geschützten Stall einzusperren man offensichtlich vergessen hatte. Mit triefendem Gefieder saß es nun in einem zerflederten Nadelbaum und hoffte, dem Fuchs für diese Nacht zu entkommen. Arigund beneidete das Tier selbst um diesen einfachen Rastplatz. Sie warf dem Heuschober einen sehnsüchtigen Blick zu, doch der struppige Köter, der davor angebunden war, machte einen solchen Radau, dass im Wohnhaus ein Licht entzündet wurde. Vaclav packte sie unerbittlich am Arm und zerrte sie weiter.
Sie mussten schon Stunden gewandert sein, als der Schneefall nachließ und es endlich aufklarte. Ein bleicher Halbmond, umgeben von silbern glänzenden Sternen, schenkte ihnen sein spärliches Licht und geleitete sie freundlich bis vor einen heruntergekommenen Gasthof. Gut die Hälfte der Nacht war bereits verstrichen, trotzdem tönte lautes Singen aus der Stube. Arigund und Friedl konnten ihr Glück kaum fassen, als Vaclav genau auf die Herberge zuhielt, die Tür öffnete und sie hineinschob. Die Gesellschaft darin – allesamt wenig vertrauenswürdige Gestalten, die sich mit Würfelbechern und Bier bei Laune hielten – merkte nur kurz auf, ohne sich weiter stören zu lassen. Vaclav ging zum Wirt und handelte einen Preis für die Übernachtung und eine warme Mahlzeit aus. Erstaunt sah die junge Frau den zweiten Prager Groschen des Tages. Diesmal wechselte er von Vaclavs langen Fingern in die fetten des Wirtes.
Es dauerte nicht lange, bis eine Schankmagd erschien und ihnen dunkles Bier und einen undefinierbaren Eintopf vorsetzte. Arigund schlang ihn in sich hinein wie den köstlichsten Schmaus, bis ihr Magen rebellierte. Auch die beiden Männer aßen stumm und kippten gierig das Bier in sich hinein. Sie blieben aber nicht wie sonst im Schankraum, sondern warfen dem Würfeltisch und der Schankmagd lediglich einen sehnsüchtigen Blick zu. Gemeinsam trappelten sie die schmale Treppe hoch. Zu dritt zwängten sie sich in eine winzige Kammer, die so eng war, dass sie in dieser Nacht wohl oder übel dicht aneinandergedrängt würden schlafen müssen. Arigund sank einfach in sich zusammen. Im Halbschlaf bekam sie noch mit, dass wieder einmal der arme Friedl anstelle der Magd herhalten musste. Sein Jammern verfolgte sie bis in den Traum.
Am nächsten Morgen scheuchte sie Vaclav schon vor Tagesanbruch aus ihrem Lager. Er lachte über Arigund, die sich mit dem eiskalten Wasser Gesicht und Hände wusch, und pinkelte ungeniert in das Stroh, das ihnen gerade noch als Schlafstätte gedient hatte.
»Vertreibt die Wanzen!«, verkündete er mit breitem Grinsen, als er Arigunds entsetzten Gesichtsausdruck sah. »Macht jeder so«, ergänzte er noch.
Einzeln
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