Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
ähm, es ist schön, dass du dich freust, mein Kind«, murmelte DeCapella und strich sich verlegen seine Kleidung glatt. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«
»Das ist ein wunderbarer Geburtstag, der beste überhaupt«, schwärmte das Mädchen und begann das Tier mit Pfefferkuchen vollzustopfen.
»Wir müssen noch einen Namen finden«, stellte DeCapella fest. »Weißt du einen?«
»Ist es denn ein Weibchen oder ein Männchen?«, fragte Aleandra ernst.
»Man hat mir gesagt, es sei eine Hündin.«
»Bella, weil sie so wunderschön ist«, schlug seine Tochter vor.
»Das ist ein sehr passender Name.«
»Dann bleibt es dabei. Wir nennen sie Bella.«
Kaum »getauft«, verlor das Tier scheinbar das Interesse an den Menschen. Unruhig und winselnd rannte es zur Tür. Vater und Tochter schauten sich ratlos an.
»Vielleicht muss sie mal raus?«, schlug das Kindermädchen vor.
»Oh ja, sicher«, meinte der Kaufmann. »Hans soll kurz mit ihr in den Garten gehen.«
»Ich gehe selbst«, beschloss Aleandra. »Ich mag Bella nicht gleich wieder hergeben. Vielleicht können wir im Schnee spielen.«
Bittend sah das Kind seinen Vater an. In DeCapellas Gesicht zuckte es. Eigentlich wollte er Nein sagen, aber wenn dem Kind so viel daran lag …
»Es ist schon spät, und draußen ist es dunkel«, wandte die Kinderfrau ein.
Aleandra setzte eine noch flehentlichere Miene auf, dass Sergio nachgab.
»Nun gut, aber nur kurz und dass du mir nicht vollkommen durchweicht zum Nachtmahl erscheinst.«
Erneut musste der Kaufmann vor den Augen der Domestiken eine Umarmung über sich ergehen lassen, dann wirbelte seine Tochter herum, schnappte sich das Hündchen und stürmte aus der Stube. Der Patrizier sah ihr kopfschüttelnd nach. Dieses Kind war wie ein ungeschliffener Diamant. Derzeit war ihm ihr Liebreiz vorbehalten, aber er fürchtete, dass das nicht mehr lange so blieb.
*
Vaclav sah das Kind in Begleitung einer Frau aus dem Haus in den Garten treten. Im nächsten Moment beleuchteten Fackeln das Gesicht des Mädchens, und sein Herz begann zu rasen. Die Ähnlichkeit mit seinem Goldeselchen war unverkennbar: derselbe dunkle Teint, dieselbe Haarfarbe, dieselbe Statur, nur dass dies hier ein Kind war. Gier schlich sich in sein Denken. Was, wenn er sich dieses Mädchen schnappte – nur für den Fall, dass Arigund die Nacht nicht überlebte? Hatte er sich nicht genug mit ihr abgeplagt, um von den DeCapellas eine Entschädigung verlangen zu können? Aber wie sollte er es anfangen?
Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Das Mädchen setzte sein Hündchen in den Schnee, wo es zunächst fröhlich herumtollte, bis es Václavs Witterung aufnahm. Es schnupperte, machte einige ungeübte Sprünge und raste dann laut kläffend auf die Holzlege zu. Vaclav zog sein Messer, um dem Vieh die Kehle durchzuschneiden, falls es die Dreistigkeit besitzen sollte, nach ihm zu schnappen. Das Mädchen begann nach dem Hund zu rufen, der jedoch dachte gar nicht daran zu gehorchen, sondern schlüpfte stattdessen in die Holzlege hinein.
»Sie hat gewiss eine Katze entdeckt«, hörte Vaclav die Frau sagen. Dann rief sie: »Bleibt hier, Herrin! Es ist zu gefährlich, wenn am Ende ein Holzstück herunterfällt und Euch am Kopf trifft.«
Das Kind jedoch schien kaum besser zu gehorchen als sein Hund. Es ignorierte die Rufe der Kinderfrau. Vaclav hörte es näher kommen und rieb sich die Hände. Vorsichtig richtete er sich in seinem Versteck auf, griff nach einem Holzstück und wartete.
»Bella, komm her!«, befahl das Mädchen. Der Hund hielt einen Augenblick mit seinem ohrenbetäubenden Gebelle inne und sah sich um. »Brav jetzt«, säuselte seine Herrin und kam langsam näher. Das bestärkte den Hund. Mit zwei Sätzen war er oben auf dem Holzstoß und stürzte sich zähnefletschend auf Vaclav, der ihm daraufhin das Holzscheit über den Kopf schlug. Der Hund jaulte auf, machte kehrt und rannte winselnd davon. Vaclav sprang heraus. Wie der Herr der Hölle stand er unvermittelt vor dem Kind. Das Mädchen war so verblüfft, dass es sich einfach packen ließ. Vaclav griff es sich und drückte ihm das Messer an die Kehle.
»Ein Wort, und du bis tot!«, zischte er in das Ohr des Mädchens.
Mittlerweile wurde die Frau misstrauisch und kam näher. Immer wieder rief sie den Namen des Mädchens: »Aleandra!«
Zeit, von hier zu verschwinden, dachte Vaclav.
Mit dem Fuß stieß er die Kellertüre auf, dann klemmte er sich das Kind unter den Arm und kroch mit ihm gemeinsam in
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