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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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des Übungsplatzes. Hufgeklapper und schrilles Wiehern schallten über die Wiese. Arigund schirmte die Augen gegen die Sonne ab. Wirthos Rüstung war auf Hochglanz poliert. Aus dem Maul seines Hengstes, der nervös tänzelte, troff weißer Schaum, und die Schultern des Pferdes waren schweißnass. Unbändig stieg der Rappe mit den Vorderhufen auf und legte ärgerlich die Ohren an. Berta klatschte vor lauter Aufregung in die Hände und erntete einen strengen Blick von Maria. Hoch aufgerichtet lenkte der junge Truchsess sein Streitross zum Zelt der Frauen. Die Farbe seines Gesichts unter dem hochgeklappten Visier ähnelte der eines gekochten Hummers. Er musste sich bei der Hitze unter dem Helm mit Kinnschutz und Halsberge ebenso fühlen. Doch seine Miene hätte nicht entschlossener sein können, wenn er kurz vor einer Schlacht stünde. In gebührendem Abstand parierte Wirtho durch und senkte – wie in einem richtigen Turnier – seine Lanze vor den Damen. Allerdings war für jeden erkennbar, dass sein Gruß eigentlich nur einer einzigen Anwesenden galt: Berta. Die errötete prompt und senkte artig die Augen.
    In den nun folgenden Übungskämpfen fegte Wirtho – begleitet von Bertas Begeisterungsrufen – so gut wie jeden vom Pferd oder zerbrach dessen Lanze, wobei er sich allerdings lediglich jungen, kaum in den Ritterstand erhobenen Gegnern zum Kampf stellte. Den alten Haudegen ging er wohlweislich aus dem Weg. Sobald diese die Lanzen gegeneinander hoben, wurde Arigund auch klar, warum: Gegen solche Mannen hätte Wirtho – trotz seiner Körperkraft – schlecht ausgesehen. Allerdings fand endlich sogar Arigund Gefallen am Zusehen. Diese Männer ritten nicht einfach drauflos oder droschen aufeinander ein. Die Kämpfer waren geschickt und wendiger, als Arigund vermutet hätte. Die Gegner versuchten sich mit Scheinmanövern auszutricksen, Ausdauer und Kraft gaben hier nicht immer den Ausschlag. Der Truchsess selbst nahm an den Übungen nicht teil. Berta flüsterte Arigund zu, der Herr habe beim Jagdausflug statt eines Hirschen einen Wilderer aufgegriffen, dessen Zunge er nun im Kerker zu lösen gedachte. Morgen würde man den dreisten Burschen wahrscheinlich am nächsten Baum aufknüpfen. Als der Schweißgeruch, der von den Rittern ausströmte, unerträglich wurde, löste sich die Gesellschaft der Damen auf, und Arigund erfuhr von Berta, dass die Mädchen zu den Burghängen gehen sollten, um Blumen für die Tische im Saal zu pflücken und zu dekorativen Girlanden zu winden. Arigund atmete auf. Keine Handarbeitsstunden. Dem Himmel sei Dank!

*
    Pater Anselm blickte mürrisch drein, als er Arigund eifrig mit den anderen Mädchen tuscheln sah. Vor allem diese Berta war dem Burgkaplan ein Dorn im Auge. Die Evastochter ließ den Männern den Saft in die Lenden schießen. Sie war die Sünde selbst. Die Ritter schlugen sich gegenseitig die Köpfe ein, nur um Bertas Aufmerksamkeit zu erhaschen. Sie brauchte nur mit den Fingern zu schnippen, und zehn Adelsherren küssten den Saum ihres Gewandes, bereit, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Dabei begann sich ihre Schönheit gerade erst zu entfalten. Wie würde es in ein bis zwei Jahren aussehen? Auch Pater Anselm hatte feststellen müssen, dass er vor der Sünde der fleischlichen Lust nicht gefeit war. Zwar gelang es ihm tagsüber, seine verruchten Gedanken zu zügeln, nachts aber schlich sich Berta in seine Träume wie ein Dämon und ließ ihn stöhnend auffahren. In seiner Verzweiflung wandte sich der Pater dann an die Dorfhure, die klug genug war, über die nächtlichen Besuche des Kaplans Stillschweigen zu bewahren. Am nächsten Morgen pflegte sich Pater Anselm selbst zu züchtigten. Berta von Eckmühl war jedoch wie ein Brombeerstachel: einmal eingedrungen, bohrte er sich immer tiefer ins Fleisch.
    Als der Priester seinen Schützling Arigund in so vertrautem Gespräch mit Berta sah, versetzte es ihm einen Stich. Am liebsten wäre er dazwischengefahren wie eine Furie, als sich Bertas wollüstige Lippen Arigunds Ohr näherten und ihr vermutlich sündige Dinge zutrugen. Diese Teufelin wollte seinem Engel die Unschuld rauben! Als der Pater schließlich sah, wie die Eckmühlerin Arigund in Richtung der Bergwiesen zog, wurde ihm klar, dass er sich etwas einfallen lassen musste, um Arigund für den Herrn Jesus zu retten. Ihr reines Herz durfte keinesfalls mit diesem Schmutz in Berührung kommen, dem sie dort ausgesetzt war. Schließlich wusste der Pater, dass dort unten,

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