Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
unter den Eichen, die Burschen mit den Mädchen Unzucht trieben.
Dem Priester war klar, dass die Mädchen Blumen pflücken gehen sollten und auch, dass die Knappen sich ihnen unter dem Vorwand anschlossen, sie zu beschützen. In Wahrheit aber hegten sie sündige Gedanken. Sie balzten wie Gockel um die Mädchen herum, und die ermutigten sie mit verführerischen Blicken, angestachelt von Berta von Eckmühl. Wenn es nur möglich wäre, die loszuwerden! Vielleicht würden dann auch seine sündigen Träume aufhören? Pater Anselm pirschte an den Zinnen der Burgmauer entlang wie ein gefangener Bär. Die Sandalen an seinen Füßen klatschten zornig auf den festgestampften Lehm, und seine Hände rupften an der mit Perlen geschmückten Kette seines fein gearbeiteten Kreuzes.
»Herr Jesus, was kann ich tun?«, flehte der Kaplan.
Er versuchte sich zu beruhigen, indem er leise Psalmen rezitierte, als ihm die wohlbekannte Gestalt des nur wenige Schritte entfernten Wirtho auffiel. Der zukünftige Burgherr war in höchst sündiges Tun vertieft, während er die Mädchen lüstern mit den Augen verschlang.
»Berta, süße kleine Berta«, seufzte der junge Ritter und verdrehte die Augen, »wann wirst du mich erhören?«
Pater Anselm sog die Luft scharf durch die Nasenlöcher ein. Auch Wirtho schlich also der rolligen Katze hinterher. In diesem Moment wurde Pater Anselm klar, dass der Burgerbe in der Tat ein passender Werber für die Teufelin sein könnte und dass man die Eckmühlerin in einem solchen Falle nie mehr loswerden würde. Das wäre das Ende!
Schon allein Wirtho war eine Plage, und der Gedanke, er könnte einmal das Zepter auf Burg Brennberg schwingen, schien unerträglich. Gemeinsam mit einer Frau wie Berta von Eckmühl würde sich Brennberg in Sodom und Gomorra verwandeln. Die Tochter des Stallmeisters hatte die Vorkommnisse im Stall bei der Beichte doch genauestens geschildert. Und sie war nicht die Einzige, die sich in letzter Zeit der Zudringlichkeiten des jungen Ritters hatte erwehren müssen – ganz abgesehen von all jenen Weibern, die sich ihres sündigen Treibens nicht einmal schämten. Wirtho und Berta, ein Teufel und eine Teufelin. Gemeinsam würden sie das Lehen des Fürstbischofs in den Abgrund der Hölle reißen! Pater Anselm kratzte sich vor Wut den blanken Schädel blutig.
»Gott zum Gruße, Vater«, riss ihn Wirtho aus den dunklen Gedanken. »Sucht Ihr Entspannung oder eine Anregung für die Sonntagspredigt? – Ach, ich vergaß, das Thema steht ja seit Jahren fest. Es wird, nun lasst mich raten, um die Sünde der fleischlichen Lust und der Völlerei gehen.«
Pater Anselm schwieg. Wirtho von Brennberg war keine Entgegnung wert. Er musste andere Wege finden, die Geschicke der Burg in eine bessere Richtung zu lenken. Der junge Ritter würde schon noch merken, dass das Wort Lehen von »leihen« kam und dass Land und Burg nicht sein Eigentum waren, sondern bischöfliches. Wirtho deutete das Schweigen fälschlich als Zustimmung.
»Nun, dann will ich Euch nicht weiter in der Meditation stören«, meinte er, wandte sich um und eilte zu den Ställen hinüber.
*
Annelies faltete das Altartuch sorgfältig und legte es auf Arigunds Truhe, damit die es später der Burgherrin überreichen konnte. Sie hatte geduldig die Arbeit übernommen, während sie sich vor Sehnsucht nach Matthias verzehrte. Das Hochgefühl, mit dem sie am Morgen erwacht war, verflog von Stunde zu Stunde. Zweifel peinigten sie. Einerseits jagte ihr jede Begegnung mit dem Knecht einen heißen Schauer über den Körper, andererseits fürchtete sie sich davor, ihn wiederzusehen. Wer weiß, vielleicht würde er sich ganz von ihr abwenden und sich ein Mädchen suchen, das weniger zimperlich war? Ihre Angst und ihr Weinen mussten kindisch gewirkt haben. Wie gern hätte sich Annelies mit Magda ausgetauscht, die ja schon Erfahrung in dieser »Angelegenheit« besaß, aber die war weit weg. Ihrer Herrin Arigund konnte und wollte sich die Zofe nicht offenbaren. Und so blieb sie mit ihren Zweifeln allein.
Immerhin war das Altartuch fertig. Eine Weile betrachtete Annelies ihr Werk. Obwohl die Stiche sauber und gleichmäßig wirkten, war die Zofe nicht zufrieden. Dreimal strichen ihre Finger über den Saum. Sie war schon fast so weit, alles wieder aufzutrennen und noch einmal zu beginnen, doch dann warf sie es wütend auf Arigunds Bett und griff nach dem Wasserkrug. Doch der erwies sich als leer. Obwohl das eigentlich eine Aufgabe der Mägde war,
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