Die Wasser des Mars
Sicherheitsvorschrift durch Routine zur Alltäglichkeit werden kann. Und vom Alltäglichen zum vermeintlich Unwichtigen ist es nur ein kleiner Schritt. Es wäre nicht auszudenken, wenn Kronert einen Leichtsinnsfehler gemacht hätte.
Cortez versucht sich abzulenken von seinen unerfreulichen Gedanken, blickt hinüber zu dem geheimnisvollen Dunst. Die Gedanken an Kronert lassen sich jedoch nicht vertreiben. Da blickt auch er nach Norden, wo die Formation des Cerberus irgendwann auftauchen muß. Aber noch ist nichts zu sehen. Außerdem fällt die Dunkelheit sehr schnell ein. »Irgendwo dort vorn im Norden muß dieses Gebirge in weitem Bogen an den Cerberus anschließen«, sagt er. »Vielleicht handelt es sich sogar um eine geschlossene Formation.«
Grind nimmt das Glas von den Augen. »Ja, ja, wir wissen noch sehr wenig vom Mars.«
Cortez versteht ihn. Zehn Jahre sind eine kurze Zeit bei der Erforschung eines Planeten. Die von der Station. Ares 1 weit entfernten Gebiete sind noch lange nicht genau kartographiert. Bisher liegt lediglich eine einigermaßen geschlossene Karte aus Luftaufnahmen vor, die von vier um den Planeten kreisenden Sonden fotografiert worden sind. Aber allein die Deutung der Oberflächenstrukturen wird noch langer Jahre bedürfen, denn Gebirge wie auf der Erde gibt es hier nicht. Keine tiefen, schattigen Täler, keine vereisten Gipfel. Und kein Wasser auf Mars. Das alles macht eine eindeutige Aussage über bestimmte Bodenformationen anhand der Aufnahmen langwierig und unsicher.
Auch die Nacht ist anders als auf der Erde. Mit dem Sinken der Sonne kommt die Kälte. In Minuten strahlt die Lithosphäre die tagsüber gespeicherte Wärme ab.
Unter dem Einfluß dieser Temperatursprünge zerfällt das Gestein durch Thermoerosion zu Sand, den die Stürme zu Staub zermahlen. Und auch die Stürme des Mars sind Kinder dieser Temperaturdifferenzen. Zwar ist die Entfernung des Mars von der Sonne im Mittel anderthalbmal so groß wie die der Erde, aber da das Regulativ der Wassermassen mit ihrem schlechten Wärmeleitvermögen fehlt, sind die Tage heißer und die Nächte kälter als auf der Erde. Und das ist auch der Grund für die erhebliche atmosphärische Turbulenz auf Mars, für die immer wieder ohne lange Vorankündigung hereinbrechenden Staubstürme.
In dieser Nacht schlagen sie ihr Zelt zwischen zwei mächtigen Felsbrocken der Ausläufer des östlichen Höhenzuges auf.
Als sie am Morgen die schützende Plasthülle verlassen, sehen sie, daß sich darauf eine feine Staubschicht abgelagert hat, die unter dem Einfluß kondensierender und verdampfender Gase eine komplizierte Struktur angenommen hat. Grind schnippt mit den Fingern gegen die Hülle, und sie beobachten, wie sich eine Wolke feinen Staubes erhebt.
Minuten später befinden sie sich wieder auf dem Marsch. Im Osten quält sich die Sonne schwächlich durch den rötlichen Dunstschleier, den sie sich nicht erklären können. Immer wieder zieht es sie hinüber zu diesem eigenartigen Phänomen, und immer wieder ist es der Leitstrahl, der sie daran hindert, ihrem Forscherdrang nachzugeben.
Eine Stunde später, die Sonne hat die obersten Schichten des Dunstschleiers noch nicht erreicht, quäkt die Warnhupe erneut. Zu gleicher Zeit stoppen die Gleiter, der Zeiger auf der Kontrollbox zuckt mehrmals nach rechts und bleibt schließlich stehen, auf den Fuß des östlichen Bergrückens zeigend.
Einen Augenblick lang fürchtet Cortez eine erneute Enttäuschung, fürchtet, wieder einen dieser fast bewegungslosen Lithofanten zu finden, dann sieht er den menschlichen Körper im Staub.
Kronert liegt mit dem Gesicht nach unten auf dem Sand. Die Arme hat er weit ausgebreitet, als wolle er sich am Boden festklammern, die Finger wirken verkrampft.
Drei Tage später ist Kronert außer Lebensgefahr. Trotzdem sind weder Cortez und Grind noch der Arzt, der von Ares 1 herübergekommen ist, mit der Entwicklung der Dinge zufrieden.
Der Arzt Dr. Berger, ein Landsmann von Kronert und ein hervorragender Kosmonaut mit einem enormen Erfahrungsschatz, ein Mann um die Fünfzig, befürchtet einen ernsthaften geistigen Defekt des Patienten.
Seit mehr als einer Stunde starren die beiden Wissenschaftler auf die Tür zum Nebenraum, den der Arzt kurzerhand zum Krankenzimmer umfunktioniert hat. Bereits kurz nach seiner Ankunft hat er sie beide aus der Funkbude verbannt, um, wie er sagte, den Piloten in Ruhe behandeln zu können. Bereits zu diesem Zeitpunkt faselte Kronert ständig
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